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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die dürre Brust zu stoßen?«
    »Diese Frage solltest du nicht mir stellen, Edur. Nur der Verkrüppelte Gott kann sie beantworten. Aber ich glaube nicht, dass es so einfach sein kann. Er ist ein schlauer Bastard, und in dem Zelt da vorne ist seine Macht vermutlich absolut.«
    »Die riesigen Ausmaße seiner Sphäre«, sagte Rhulad mit einem höhnischen Schnauben.
    Ja. Aber warum interessieren mich diese Worte, so, wie sie gesagt wurden?
    Das Schutzdach aus mitgenommenem Segeltuch war direkt vor ihnen; aus der Seite, die aufgezogen worden war, trieben Rauchschwaden. Als sie sich dem Zelt näherten, wurde die Luft heißer und trockener, und das Gras unter ihren Füßen wirkte verdorrt und ausgebleicht. Die Erde schien merkwürdig verwahrlost.
    Sie kamen vor dem Eingang an. Im Innern hockte der Gott wie immer zusammengekauert in der Düsternis. Dünne Rauchfahnen stiegen von dem Kohlebecken auf.
    Ein Husten, dann: »So viel Wut. Angesichts der Wirksamkeit meines Geschenks ist das unbillig.«
    »Ich will nicht zurück«, sagte Rhulad. »Lasst mich hier. Sucht Euch jemand anderen.«
    »Unwissentliche Diener unserer Sache tauchen aus … unerwarteten Ecken auf. Ein Bekenner der Karmesingarde, denk doch nur! Sei froh, dass es nicht Schinder war oder gar Kapuze. Sie hätten mehr Notiz von dir genommen, und das wäre nicht gut gewesen. Dafür sind wir noch nicht bereit.« Ein abgehacktes Husten. »Noch nicht bereit.«
    »Ich gehe nicht zurück.«
    »Du verabscheust den Körper, der dir gegeben wurde. Ich verstehe. Aber das Gold ist deine Bezahlung, Rhulad Sengar. Für die Macht, die du haben willst.«
    »Ich will diese Macht nicht mehr.«
    »Doch, du willst sie«, erwiderte der Verkrüppelte Gott. Er war offensichtlich erheitert. »Denke doch nur an die Belohnungen, die du bereits erhalten hast. Den Thron der Tiste Edur, die Frau, nach der es dich schon jahrelang gelüstet hat – sie gehört jetzt dir, und du kannst mit ihr tun, was du willst. Deine Brüder, die sich allesamt vor dir verneigen. Immer größere Fähigkeiten im Umgang mit dem Schwert –«
    »Aber das alles gehört mir nicht, oder? Es dient nur dazu, dass ich durchhalte! Diese Fähigkeiten gehören mir nicht – und alle können es sehen! Ich habe sie mir nicht verdient!«
    »Und welchen Wert hat all dieser Stolz, nach dem du strebst, Rhulad Sengar? Ihr Sterblichen verblüfft mich immer wieder. Es ist der Fluch der Narren, sich in endloser Unzufriedenheit ständig selbst zu beurteilen. Es ist nicht an mir, dich anzuleiten, wie du dein Imperium regieren sollst. Diese Aufgabe gebührt einzig und allein dir. Mach das zu etwas, auf das du deinen Stolz richten kannst. Und außerdem – hat deine Kraft nicht zugenommen? Du hast jetzt Muskeln, die die deines Bruders Forcht übertreffen. Hör also mit dem Gejammer auf, Edur.«
    »Ihr benutzt mich!«
    Der Verkrüppelte Gott lachte. »Und Scabandari Blutauge hat das nicht getan? Oh, inzwischen kenne ich die Geschichte. Die ganze Geschichte. Die Meere flüstern alte Wahrheiten, Rhulad Sengar. Der verehrte Vater Schatten – oh welch absurder Dünkel. Ein Mörder, ein Messerschwinger, ein Verräter –«
    »Das sind nichts als Lügen!«
    »- der euch dann zu eurem eigenen Verrat geführt hat. An euren ehemaligen Verbündeten, den Tiste Andii. Ihr seid auf Scabandaris Befehl über sie hergefallen. Ihr habt die getötet, die Seite an Seite mit euch gekämpft hatten. Das ist das Erbe der Tiste Edur, Rhulad Sengar. Frag Hannan Mosag. Er weiß es. Frag deinen Bruder Forcht. Deine Mutter – die Frauen wissen es. Ihre Erinnerung ist nicht so … beschränkt.«
    »Ich will nichts mehr davon hören«, flehte Rhulad, während er sich ins Gesicht griff. »Ihr wollt mich mit Unehre vergiften. Das habt Ihr vor … deshalb sagt Ihr das alles.«
    »Vielleicht«, murmelte der Verkrüppelte Gott, »biete ich dir ja sogar die Absolution. Die Gelegenheit, es wieder gutzumachen. Es liegt alles in deinem Innern, Rhulad Sengar. Du verfügst über die Macht, alles so zu gestalten, wie du willst. Das Imperium wird dein Spiegelbild sein, nicht das von irgendjemand anderem. Wirst du vor dieser Aufgabe weglaufen? Wenn du dich dafür entscheiden solltest, dann werde ich tatsächlich gezwungen sein, einen anderen zu erwählen. Einen, der sich vielleicht als weniger ehrenhaft erweisen wird.«
    Das Schwert landete klirrend vor Rhulads Füßen.
    »Entscheide dich.«
    Withal schaute zu und sah, wie der Gesichtsausdruck des Edur sich änderte.
    Mit einem

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