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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Schrei riss Rhulad die Waffe hoch, machte einen Satz - und war verschwunden.
    Ein krächzendes Lachen. »Es gibt nicht mehr viel, was mich noch überraschen kann, Withal.«
    Angewidert wandte der Meckros sich ab.
    »Einen Augenblick, Withal. Ich sehe deinen Überdruss, deinen Unwillen. Was plagt dich denn so? Das frage ich mich schon die ganze Zeit.«
    »Das hat der Junge nicht verdient –«
    »Oh, aber er verdient es sehr wohl. Sie alle verdienen es.«
    »Klar«, sagte Withal, während er den Verkrüppelten Gott ausdruckslos anstarrte, »das scheint das einzige Urteil zu sein, zu dem Ihr kommen könnt. Aber es ist wohl kaum makellos, oder?«
    »Sei vorsichtig. Meine Dankbarkeit für das, was du für mich getan hast, ist allmählich erschöpft.«
    »Dankbarkeit?« Withal stieß ein raues Lachen aus. »Ihr seid dankbar, nachdem Ihr mich gezwungen habt, zu tun, was Ihr wollt. Das ist wirklich gut. Hoffentlich denkt Ihr auch dann noch so großzügig, wenn ich Euch gezwungen habe, mich zu töten.« Er musterte die vermummte Gestalt. »Ich kann Euer Problem erkennen, versteht Ihr. Ich kann es jetzt erkennen und verfluche mich dafür, dass es mir nicht schon früher aufgefallen ist. Ihr habt keine Sphäre, die Ihr beherrscht, wie die anderen Götter. Und darum sitzt Ihr hier allein in Eurem Zelt, und das ist auch schon Eure ganze Sphäre, stimmt’s? Zerrüttetes Fleisch und faulige, abgestandene Luft. Wände, dünn wie Haut, und die Hitze, die sich die Alten und Lahmen wünschen. Das ist Eure Welt, und Ihr seid ganz allein darin, und die Ironie an der ganzen Geschichte ist, dass Ihr noch nicht einmal Euren eigenen Körper beherrscht.«
    Ein ekelhaftes Husten, dann: »Verschone mich mit deinem Mitgefühl, Meckros. Ich habe über dein Problem ausgiebig nachgedacht, und ich habe eine Lösung gefunden, wie du schon bald feststellen wirst. Und wenn das geschieht, denke daran, was du zu mir gesagt hast. Und jetzt geh.«
    »Ihr versteht es immer noch nicht, oder? Je mehr Schmerzen Ihr anderen zufügt, Gott, desto mehr Schmerzen werden Euch selbst heimsuchen. Ihr sät Euer eigenes Elend, und deshalb wird jedes Mitgefühl hinweggefegt, das Ihr zu Recht bekommen könntet.«
    »Ich sagte, geh, Withal. Bau dir ein Nest. Maep wartet.«
     
    Sie tauchten auf einer windgepeitschten Grasnarbe auf; zu ihrer Rechten lag das Meer mit seinen tosenden Wellen, vor ihnen das Delta eines breiten Flusses. Auf dem gegenüberliegenden Flussufer erhob sich eine von Mauern umgebene Stadt.
    Seren Pedac musterte die fernen Gebäude, die hohen, dünnen Türme, die sich zum Meer hin zu neigen schienen. »Alt-Katter«, sagte sie. »Wir sind neunzig Meilen südlich von Trate. Wie ist das möglich?«
    »Gewirre«, murmelte Corlo, während er in sich zusammensackte, bis er auf dem Boden saß. »Dieses hier ist verrottet und verfault. Aber immer noch ein Gewirr.«
    Die Freisprecherin begab sich hinunter zum Strand. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war heiß. Ich muss mich waschen. Wieder sauber werden. Das Meer …
    Eisenhart folgte ihr, in einer Hand das verkrustete Ding, in dem nun der Geist einer Tiste Andii hauste.
    Sie machte ein paar Schritte ins Wasser, die Wogen wirbelten schäumend um ihre Schienbeine.
    Der Bekenner warf das Ding an ihr vorbei – ein leichtes Aufspritzen, nicht allzu weit voraus.
    Das Wasser reichte ihr nun bis zu den Oberschenkeln, zu den Hüften.
    Sauber. Wieder sauber werden.
    Bis zur Brust. Eine Woge rollte heran, hob sie hoch, drehte und schleuderte sie dem Ufer entgegen. Sie drehte sich mühsam um, bis sie wieder vorwärts gehen konnte. Kaltes salziges Wasser stieg ihr übers Gesicht. Helles, von der Sonne durchströmtes schlammiges Wasser, das ihr das Sehvermögen aus den Augen wusch. Wasser, das beißend in verschorfte Wunden drang, auf ihren zerschlagenen Lippen brannte, ihren Mund füllte und darum bat, nach innen gesogen zu werden.
    Genau so.
    Hände packten sie und zogen sie zurück. Sie wehrte sich, konnte sich jedoch nicht losreißen.
    Sauber!
    Kalter Wind strich ihr übers Gesicht, und ihre Augen blinzelten ins schmerzhaft grelle Licht. Hustend und weinend wehrte sie sich, doch die Hände zogen sie unbarmherzig zum Strand zurück und warfen sie in den Sand. Dann, als sie versuchte, sich loszumachen, schlossen sich Arme eng um sie und hielten ihre eigenen Arme fest, und dicht an ihrem Ohr keuchte eine Stimme: »Ich weiß, Schätzchen. Ich weiß, wie es ist. Aber das ist nicht der richtige Weg.«
    Bebende,

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