SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
der Gedanke ihn erschreckte.
Er war nicht der Mann für so etwas. Er stolperte halb blind in einem Strudel konvergierender Kräfte vor sich hin und musste feststellen, dass er darum kämpfte, auch nur den Anschein von Kontrolle aufrechtzuhalten.
Apsalar wiederzusehen, war ein unerwartetes Geschenk gewesen. Sie war kein Mädchen mehr, und doch, wie es schien, so tödlich wie zuvor. Nichtsdestotrotz war hin und wieder in ihren Augen so etwas wie Menschlichkeit aufgeblitzt. Er fragte sich, was sie durchgemacht hatte, seit Cotillion außerhalb von Darujhistan aus ihr verbannt worden war – das hieß, abgesehen von dem, was sie ihm bereitwillig erzählt hatte, und er fragte sich, ob sie ihre Reise wohl beenden würde, ob sie am anderen Ende herauskommen würde – ein weiteres Mal wiedergeboren.
Er stellte sich in den Steigbügeln auf, um die Beine zu strecken, suchte im Süden nach dem verräterischen Schimmer, der seinen Bestimmungsort kennzeichnen würde. Doch bis jetzt war da nichts als Hitzedunst, und schroffe, baumlose Hügel, die sich buckelig aus der vertrockneten Ebene erhoben. Das Reich der Sieben Städte waren ein heißes, verbranntes Land, und er kam zu dem Schluss, dass er es auch ohne die Pest nicht sonderlich mochte.
Einer der Hügel verschwand plötzlich hinter einer Staubwolke und durch die Luft fliegendem Geröll, dann wummerte ein Donnergrollen durch den Boden, das die Pferde erschreckte. Noch während er versuchte, sie zu beruhigen – besonders das, auf dem er saß, das bockte und auskeilte und die Gelegenheit nutzen wollte, einmal mehr zu versuchen, ihn abzuwerfen –, spürte er, wie etwas aus dem zerstörten Hügel herauswallte.
Omtose Phellack.
Er beruhigte sein Pferd, so gut es ging, packte die Zügel und ritt in ruhigem Galopp auf den zerstörten Hügel zu.
Als er näher kam, konnte er ein Krachen aus dem Hügelgrab hören – denn genau das war der Felsbuckel –, und als er dreißig Schritt entfernt war, wurde ein Teil eines vertrockneten Körpers aus dem Loch geschleudert, rutschte rasselnd durch das Geröll. Er kam zum Stillstand, dann hob sich zitternd ein Arm, sank einen Augenblick später wieder herab. Ein Schädel im Knochenhelm kam herangeflogen, von ein paar Haarsträhnen umwirbelt, und hüpfte und rollte durch den Staub.
Paran zügelte sein Pferd und sah zu, wie eine große, hagere Gestalt aus dem Hügelgrab kletterte, sich langsam aufrichtete. Graugrüne Haut, hinterherwehende staubige Spinnweben, mit Silberschnallen versehene Gurte und ein Wehrgehenk aus Eisenkettengliedern, von denen Messer in Kupferscheiden hingen – die verschiedenen Metalle waren geschwärzt oder vom Grünspan verfärbt. Was auch immer für Kleidung den Körper der Gestalt einst bedeckt haben mochte – jetzt war sie verrottet.
Eine Jaghut, deren lange schwarze Haare zu einem einzigen Zopf zusammengebunden waren, der ihr bis weit über den Rücken fiel. Ihre Hauer waren mit Silber überzogen und daher schwarz. Sie blickte sich langsam um, entdeckte ihn, und ihr Blick blieb an ihm hängen. Bernsteinfarbene Augen mit senkrechten Pupillen unter schweren Knochenwülsten musterten Paran. Er sah, wie sie die Stirn runzelte. »Was für ein Wesen bist du?«, fragte sie dann.
»Ein wohlerzogenes«, erwiderte er und versuchte zu lächeln. Sie sprach die Sprache der Jaghut, und er hatte sie verstanden … irgendwie. War dies eine der vielen Gaben, die er seiner Eigenschaft als Herr der Drachenkarten verdankte? Oder der langen Zeit, die er in Raests Nähe und seinem endlosen Gemurmel verbracht hatte? Wie auch immer, Paran überraschte sich selbst, als er in der gleichen Sprache antwortete.
Woraufhin sich ihr Stirnrunzeln vertiefte. »Du sprichst meine Sprache, wie ein Imass sie sprechen würde … hätte irgendein Imass sich je die Mühe gemacht, sie zu erlernen. Oder wie ein Jaghut, dem die Hauer gezogen wurden.«
Paran blickte zu dem unvollständigen Leichnam hinüber, der ganz in der Nähe lag. »Ein Imass wie der da?«
Sie zog die dünnen Lippen zurück, was – wie er annahm – wohl ein Lächeln sein sollte. »Ein Wächter, der zurückgelassen wurde – er hatte seine Wachsamkeit verloren. Untote langweilen sich schnell … und werden nachlässig.«
»T’lan Imass.«
»Wenn andere in der Nähe sind, werden sie jetzt kommen. Ich habe nur wenig Zeit.«
»T’lan Imass? Nein, Jaghut. Es sind keine in der Nähe.«
»Bist du dir sicher?«
»Ja. Ziemlich. Du hast dich selbst befreit …
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