SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
Stirn. »Die, die du erwähnt hast, stammen aus Starvald Demelain.«
Einen Augenblick lang waren die beiden Geister vollkommen still, dann schlängelte Rinnsel sich auf der Mauer entlang, bis ihr unheimliches Gesicht Apsalar genau gegenüberstand. »Tatsächlich? Nun, das ist aber ein eigentümlicher Zufall –«
»Aber ihr sprecht die Sprache der Tiste Andii.«
»Tun wir das? Oh, das ist ja sogar noch seltsamer.«
»Ja, das ist verwirrend«, stimmte Telorast zu. »Wir … äh … wir haben angenommen, es wäre die Sprache, die du gesprochen hast. Deine Muttersprache, meine ich.«
»Wieso? Ich bin keine Tiste Andii.«
»Nein, natürlich nicht. Nun, gelobt sei der Abgrund, dass das nun geklärt ist. Und wohin gehen wir jetzt?«
»Ich schlage vor«, sagte Apsalar, nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte, »dass ihr beide hierbleibt. Ich habe heute Nacht etwas zu erledigen, und dabei kann ich absolut keine Begleitung gebrauchen.«
»Du willst es heimlich tun«, flüsterte Telorast und kauerte sich tief hin. »Das hätten wir dir gleich sagen können, verstehst du? Du hast etwas von einer Diebin an dir. Wir drei sind verwandte Seelen, glaube ich. Du bist eine Diebin, ja, und vielleicht auch noch etwas Dunkleres.«
»Nun, natürlich ist sie noch etwas Dunkleres«, sagte Rinnsel von der Mauer her. »Eine Dienerin Schattenthrons oder des Schutzpatrons der Assassinen. Heute Nacht wird Blut vergossen werden, und unsere sterbliche Begleiterin wird es vergießen. Sie ist eine Assassine, und wir müssten das eigentlich wissen, schließlich sind wir in unserer Zeit zahllosen Assassinen begegnet. Sieh sie dir an, Telorast, sie trägt tödliche Klingen verborgen an ihrem Körper –«
»Und sie riecht nach abgestandenem Wein.«
»Bleibt hier«, sagte Apsalar. »Alle beide.«
»Und wenn nicht?«, fragte Telorast.
»Werde ich Cotillion mitteilen, dass ihr geflohen seid, und er wird die Hunde auf eure Spur hetzen.«
»Du bindest uns, damit wir dir dienen müssen! Fängst uns mit Drohungen! Rinnsel, wir sind getäuscht worden!«
»Töten wir sie und stehlen ihren Körper!«
»Nein, lieber nicht, Rinnsel. Etwas an ihr macht mir Angst. In Ordnung, Apsalar, die du nicht Apsalar bist, wir werden hierbleiben … einige Zeit. Bis wir sicher sein können, dass du tot oder in einem noch schlimmeren Zustand bist – so lange werden wir hierbleiben.«
»Oder bis du zurückkommst«, fügte Rinnsel hinzu.
Telorast zischte. Es klang merkwürdig, fast wie bei einem Reptil. »Ja, du Närrin, das ist die andere Möglichkeit.«
»Und warum hast du es dann nicht gesagt?«
»Weil es so offensichtlich ist, natürlich. Warum sollte ich meinen Atem verschwenden, um etwas zu erwähnen, das offensichtlich ist? Es kommt darauf an, dass wir hier warten. Das ist das Entscheidende.«
»Ist es vielleicht für dich«, sagte Rinnsel gedehnt, »aber das muss es nicht notwendigerweise für mich sein. Nicht dass ich meinen Atem verschwenden würde, um dir irgendetwas zu erklären, Telorast.«
»Du warst schon immer zu durchschaubar, Rinnsel.«
»Ihr alle beide«, sagte Apsalar. »Seid jetzt still und wartet hier, bis ich zurückkomme.«
Telorast ließ sich gegen das Fundament der Mauer sinken und verschränkte die Arme. »Ja, ja. Mach ruhig weiter. Uns ist das egal.«
Apsalar bewegte sich rasch durch das Geröll und die Ruinen; sie wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die beiden Geister bringen, ehe sie nach dem verborgenen Pfad suchte, der sie, wenn alles gut lief, zu ihrem Opfer führen würde. Sie verfluchte ihre Rührseligkeit, die ihre Entschlossenheit dermaßen geschwächt hatte, dass sie jetzt an zwei verrückte Geister gekettet war. Und es würde auch nicht damit getan sein, sie einfach zurückzulassen, wie sie nur zu gut wusste. Wenn sie sie sich selbst überließ, würden sie wahrscheinlich für allerhand Verwüstung in Ehrlitan sorgen.
Sie gaben sich zu viel Mühe, sie von ihrer Harmlosigkeit zu überzeugen, und sie waren schließlich aus einem bestimmten Grund in der Schattensphäre angekettet gewesen – ein Gewirr voller auf Ewigkeit gefangener Kreaturen, von denen die wenigsten ernsthaft behaupten konnten, dass ihnen Unrecht widerfahren wäre.
Im Gewirr des Schattens gab es kein eigenes Azath-Haus, und demgemäß waren eher weltliche Methoden bei der Abwehr von Gefahren angewandt worden. So schien es Apsalar zumindest. Praktisch jedes dauerhafte Charakteristikum in der Schattensphäre war von
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