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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sagte Barathol seufzend, »Nulliss, besorg dem armen Kerl einen Stuhl, ja?«
     
    Der graue Nebelschleier und die blendenden silbrigen Flecken lösten sich langsam auf, und schlagartig konnte Felisin die Jüngere ihren Körper wieder spüren – und scharfe Steine, die sich in ihre Knie gruben, und den Geruch von Staub, Schweiß und Angst, der die Luft sättigte. Bilder von Chaos und Gemetzel erfüllten ihre Gedanken. Sie fühlte sich betäubt und konnte nichts anderes tun, als zuzusehen, wie die Dinge um sie herum allmählich wieder Gestalt annahmen. Vor ihr warf das Sonnenlicht scharfe Strahlen gegen eine von Spalten und Rissen durchzogene Felswand. Sandverwehungen säumten breite, flache Steinstufen, die in die Felswand selbst hinaufzuführen schienen. Weitaus näher waren die großen Knöchel der Hand – blass unter verwitterter Haut –, die ihren rechten Arm über dem Ellenbogen umklammerte; die sichtbaren Bänder des Handgelenks waren angespannt, und sie gaben schwache Geräusche von sich, wie Leder, das verdreht wird. Sie konnte den Griff nicht lösen – sie hatte es versucht, bis zur vollkommenen Erschöpfung. Nah war auch der überwältigende Gestank von uraltem Verfall, und dann und wann geriet eine blutverschmierte, geriffelte Klinge in ihr Blickfeld, breit nahe der gekrümmten Spitze, schmaler werdend zum lederumwickelten Heft hin. Schwarzer, glasiger Stein, entlang der Schneide so dünn, dass er halb durchsichtig war.
    Andere standen um sie herum, mehr grässliche T’lan Imass. Sie waren blutbespritzt, und einigen fehlten Gliedmaßen – oder die, die da waren, waren verzerrt und verdreht; dem einen fehlte das halbe Gesicht, aber diese Beschädigung musste schon alt sein, erkannte sie. Ihr letzter Kampf – kaum mehr als ein Scharmützel – hatte sie nichts gekostet.
    Der Wind strich traurig seufzend an der Felswand entlang. Felisin mühte sich auf die Beine, wischte sich die Steinchen von den Knien. Sie sind tot. Sie sind alle tot. Sie sagte es sich wieder und wieder, als hätte sie die Worte gerade erst entdeckt – Worte, die ihr noch nichts bedeuteten, eine Sprache, die sie noch nicht verstehen konnte. Meine Freunde sind alle tot. Was hatte es für einen Sinn, diese Worte zu sagen? Doch sie kehrten immer wieder zurück, als würden sie verzweifelt um Antwort heischen – irgendeine Antwort.
    Ein neues Geräusch drang an ihr Ohr. Ein Scharren, das von der Felswand vor ihnen zu kommen schien. Als sie sich den brennenden Schweiß aus den Augen geblinzelt hatte, sah sie, dass eine der Spalten so aussah, als wäre sie erweitert worden, die Ränder wie mit einem Pickel weggeschlagen, und aus dieser Spalte tauchte eine gebeugte Gestalt auf. Ein alter Mann, der kaum mehr als Lumpen am Leibe trug und mit Staub bedeckt war. Irgendeine Flüssigkeit rann aus eiternden Wunden auf seinen Unterarmen und den Handrücken.
    Als er sie sah, fiel er auf die Knie. »Du bist gekommen! Sie haben es versprochen – aber warum hätten sie auch lügen sollen?« Er machte merkwürdige, klickende Geräusche beim Sprechen. »Ich werde dich jetzt mitnehmen – du wirst sehen. Es ist alles gut. Du bist sicher, Kind, denn du bist erwählt worden.«
    »Wovon redest du?«, wollte Felisin wissen, während sie einmal mehr versuchte, sich loszureißen – und dieses Mal hatte sie Erfolg, als die tödliche Hand sich öffnete. Sie geriet ins Stolpern.
    Der alte Mann sprang auf und stützte sie. »Du bist erschöpft – das ist keine Überraschung. So viele Regeln wurden gebrochen, um dich hierherzubringen – «
    Sie machte einen Schritt von ihm weg und stützte sich mit einer Hand gegen die sonnenwarme Felswand. »Wo ist hier?«
    »Eine alte Stadt, Erwählte. Einst begraben, doch schon bald wird sie wieder lebendig sein. Ich bin nur der Erste, der herbeigerufen wurde, um dir zu dienen. Es werden noch andere kommen – sie kommen eben jetzt, denn auch sie haben das Flüstern gehört. Es sind die Schwachen, die es hören, verstehst du, und oh, es gibt viele, so viele Schwache.« Noch mehr klickende Geräusche – er hatte Kieselsteine im Mund.
    Felisin drehte sich um, so dass sie die Felswand im Rücken hatte, und musterte den Streifen zerklüfteten, öden Landes, der vor ihr lag. Spuren einer alten Straße, Spuren von Ackerbau … »Wir sind hier entlanggekommen – vor Wochen!« Sie starrte den alten Mann düster an. »Ihr habt mich zurückgebracht.«
    Er lächelte, entblößte dabei abgenutzte, abgebrochene Zähne. »Diese Stadt

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