SEAL Team 12: Gefährliche Suche (German Edition)
feuchte Kühle, fühlte sie, wie sie mit der Wange gegen ein Spinnennetz kam. Sie erschauerte, drückte Miguel fester an sich und überwand für ihn und die übrigen Kinder ihre Furcht. Tiefer, immer tiefer stiegen sie in die Dunkelheit hinab, bis sie das Ende der Stufen erreichten und festgetretenen Erdboden unter den Füßen hatten.
Ein Frösteln überkam sie, als sie zurück nach oben zum Licht schaute. Was, wenn sie nie wieder die Sonne sehen würde? Eiligen Schrittes näherte sich nun auch Schwester Madeline.
»Ich habe sie gesehen«, erklärte die Nonne auf ihre nüchterne Art. »Eine ganze Horde«, fügte sie mit typisch britischem Understatement hinzu.
Eine wilde Horde
, dachte Jordan, vor lauter kaltem Schweiß klebte ihr bereits das Hemd am Rücken.
Schwester Madeline kam rasch die Treppe herunter. »Wer ist alles bei uns?«, wollte sie wissen.
»Die Waisen«, murmelte Jordan.
»Wir sollten sie gehen lassen«, schlug Schwester Madeline mit einem Blick nach oben zum Priester vor.
»Nein«, zischte Jordan und drückte Miguel noch entschlossener an sich.
»Ihr Weinen könnte uns verraten«, erklärte die Nonne.
»Es ist zu spät, um sie wieder nach oben zu schicken«, stellte Pater Benedict fest, der nun ebenfalls zu ihnen herunterkam. »Außerdem, wer sollte sich dann um sie kümmern? Sie würden bloß wieder auf der Straße landen. Pedro«, wandte er sich an den Jungen über ihm, der hoffte, Priester werden zu können, »mach die Tür zu und schließ ab. Zieh den Teppich über die Bodenklappe und lass den Schlüssel verschwinden. Sag keinem, wo wir sind. Sobald die Guerillas fort sind, lässt du uns wieder raus.«
»
Si, padre
«, antwortete der Junge. Widerstrebend und mit bedauernder Miene schloss er die Luke. Da das Sonnenlicht durch die Ritzen fiel, wurde es zunächst nicht vollkommen finster. Doch als der Teppich über die Luke geschoben wurde, hüllte sie alle eine dermaßen tiefe, undurchdringliche Schwärze ein, dass jeder Muskel in ihrem Körper Jordan den Dienst versagte.
»Entzünden wir eine Kerze und beten wir«, drang Pater Benedicts Stimme aus der Dunkelheit zu ihr und löste sie aus ihrer Erstarrung.
Ungelenk setzte sie Miguel ab, um der Finsternis ein Ende zu bereiten, was in Anbetracht ihrer zitternden Hände jedoch praktisch unmöglich war. Im flackernden Licht des Zündholzes waren die blassen Gesichter ihrer erwachsenen Begleiter und vier Paar glänzender Kinderaugen zu erkennen. Sie starrten auf den Docht und blickten sich um, als die Kerze endlich brannte.
Ihr Versteck maß etwa zehn mal sieben Schritte, war von Spinnweben überzogen und überall befanden sich Nischen, in denen flaschenweise Messwein lagerte.
Zu trinken haben wir jedenfalls genug
, dachte Jordan und verkniff sich ein hysterisches Glucksen.
Der Priester setzte sich und zog seine langen Beine an, um den anderen Platz zu machen. Jordan suchte nach einer Abstellmöglichkeit für die Kerze, die außerhalb der Reichweite der Kinder war. Als sie einen Spalt in der Wand entdeckte, klemmte sie die Kerze wie eine Fackel hinein. »Setzt euch«, wies sie die Kleinen an und machte es ihnen vor.
Miguel kroch auf seinen Lieblingsplatz – ihren Schoß – und seine Haare kitzelten sie in der Nase. Vor Bedauern darüber, dass sie ihn nicht besser beschützen konnte, brannten Jordan Tränen in den Augen.
»Lieber Gott«, begann der Priester in einem leisen, grimmigen, aber erstaunlich ruhigen Tonfall, »wir beten zu dir, sieh auf uns herab und halte deine schützende Hand über uns …«
Beim Klang seiner tiefen Stimme schweifte Jordan in Gedanken ab. Sie bedeutete Fatima, die sich ängstlich wimmernd an sie schmiegte, leise zu sein. Gebete konnten nicht schaden, fand Jordan, aber helfen würden sie auch nicht unbedingt. Gott wusste, wie häufig sie als werdende Mutter darum gebetet hatte, ihr Kind nicht zu verlieren und ihre Ehe retten zu können.
Anders als der Priester und die Nonne war Jordan nicht in Venezuela, um Seelen zu retten. Vielmehr wollte sie einen Heilungsprozess beenden, der im letzten Sommer begonnen hatte, dann jedoch unterbrochen worden war, weil sie wegen ihrer Anstellung als Lehrerin hatte zurück nach Hause reisen müssen.
Diesen Sommer war sie zurückgekommen – nicht, um sich weiter zu erholen, sondern um die Adoption abzuschließen, die sie vor neun Monaten beantragt hatte. Die Warnungen ihrer Regierung vor der unsicheren politischen Lage waren bei ihr auf taube Ohren gestoßen. Und nun
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