SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
es hinterließ keine sichtbaren Spuren; so blieb sie zurück und machte sich Gedanken, ob sie nicht doch selbst die Schuld an dem trug, was geschehen war, und ob er beim nächsten Mal nicht anders reagieren würde, wenn sie sich nur mehr Mühe gab.
Sie hatte elf Jahre ihres Lebens damit vergeudet, sich zu fragen, ob die unsichtbaren Narben wirklich da waren.
Doch nun, da sie alles mit Abstand betrachten konnte, lag die Misshandlung so klar auf der Hand, dass es für sie ausgeschlossen war, je wieder zurückzukehren.
Als Chase eine Hand hob, schaffte es Sara geradeso, nicht zusammenzuzucken. Er hielt einen Augenblick inne, dann umfasste er vorsichtig ihr Kinn und strich sanft mit dem Daumen über ihre Wange.
Er sagte kein Wort. Das musste er auch gar nicht. Es handelte sich einfach nur um eine tröstende Geste, doch Sara erbebte sogleich vor Verlangen.
Es wäre gewiss falsch, sich noch mehr auf Chase zu verlassen, als sie es bereits tat. Garret hatte ihr beigebracht, dem ersten Anschein zu misstrauen. Welcher Mann konnte schon so solide und rücksichtsvoll sein, wie Chase es anscheinend war?
»Ich dachte mir, ich mache heute Abend Würstchen mit gedünsteten Tomaten und Zucchini « , schlug sie vor, um ihn auf die Probe zu stellen.
Verwirrt sah er auf die Uhr. Es war früher Nachmittag. »Haben Sie schon Hunger ?« , fragte er sie.
»Nein .« Sie gestattete sich ein Lächeln. »Es ist bloß … ach, nichts .«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie stirnrunzelnd an. »Ich habe Sie auch nicht mitgenommen, damit Sie mich bekochen « , tadelte er sie erneut. »Andererseits würde ich zu guter Hausmannskost auch nicht Nein sagen, wenn Sie es anbieten « , fügte er in trockenem Ton hinzu.
»Das tue ich « , versicherte sie ihm. Sie freute sich sogar aufs Kochen.
»Also gut. Wann ?«
»Um sechs ?«
»Dann lege ich besser mal wieder los .« Mit einem schiefen Blick auf seinen Daumennagel lief Chase aus der Küche und nahm den Eisbeutel mit nach draußen.
Um zwanzig nach sechs tauchte die untergehende Sonne den mit Kratzern übersäten Küchentisch in goldenes Licht. Vor den drei Personen, die an ihm saßen, standen drei gründlich geleerte Teller.
»Ich bin satt, Mom « , verkündete Kendal und stellte sein leeres Milchglas hin. »Darf ich noch draußen spielen ?« Er wartete schon den ganzen Tag ungeduldig darauf, am Abend Grillen zu fangen und in eine mit Gras und Zweigen gefüllte Schachtel zu setzen.
Sara sah Chase an, der mit einem Stück Brot die letzten Reste Tomatensoße von seinem Teller auftunkte. Als sich ihre Blicke trafen, schaute er Kendal an. »Gib auf die Rotfüchse acht « , empfahl er ihm. »Die kommen gern kurz vor Sonnenuntergang raus .«
»Mach ich « , versprach Kendal. Nachdem er seinen Teller zur Spüle getragen hatte, stieß er die Fliegengittertür schwungvoll auf, sodass sie hinter ihm krachend wieder zufiel. »’tschuldigung !« , rief er von der anderen Seite aus.
»Chase hat hier schon genug zu reparieren « , schimpfte Sara, ehe dieser den Jungen zurechtweisen konnte. Sie war sich der nachdenklichen Blicke des SEAL s bewusst, der auf seinem letzten Bissen Brot herumkaute.
»’tschuldigung « , ließ Kendal noch einmal verlauten, bevor er losflitzte.
»Danke fürs Essen « , sagte Chase und schob seinen Teller von sich. »Sie sind eine gute Köchin .«
Sie wusste nicht recht, was sie auf dieses Kompliment erwidern sollte. Mit Absicht hatte sie etwas ganz Neues ausprobiert. Da ihr die Würstchen angebrannt waren, gab es dafür jedoch noch Luft nach oben. Sie stand auf und begann zögerlich, das Geschirr abzuräumen.
»Keine Eile « , meinte er, woraufhin sie sich sofort wieder hinsetzte.
Schweigen machte sich zwischen ihnen breit. Allerdings war es nicht unangenehm oder angespannt. Chase lehnte sich behaglich zurück. »Es wäre schön, wenn Sie sich in meiner Gegenwart entspannen könnten « , erklärte er überraschend.
»Ich bin entspannt « , protestierte sie. Doch das war sie nicht, nicht wirklich. Sie nahm alles an ihm überdeutlich wahr, von den breiten Schultern bis zu der Art, wie er die Gabel hielt. Bisher war ihr noch gar nicht aufgefallen, dass er Linkshänder war.
»Sie sollten vielleicht wissen, dass mir solche Kleinigkeiten wie zuknallende Fliegengittertüren oder angebrannte Würstchen nichts ausmachen « , meinte er. »Es gibt weitaus Stressigeres als das .«
»Stimmt .« Sie nickte inbrünstig. »Es tut mir leid, ich bin bloß … dran
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