SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
Möglichkeit bestand, Saras Aufenthaltsort durch die Freigabe ihrer persönlichen Dateien herauszufinden, war es ihre Amtspflicht, diese auch zu nutzen.
»Charles !« , rief sie einen Mann, der gerade unter einem weiteren Schreibtisch werkelte. »Tu mir den Gefallen, und verschaff mir bitte Zugang zu Saras Account « , bat sie.
Der untersetzte Mann kam zu ihnen herübergetrottet und zwängte seinen breiten Hintern in den Schreibtischsessel. Dann fuhr er den Computer hoch, gab sein Passwort ein und öffnete Saras Account. »Bitte schön « , sagte er schließlich und erhob sich wieder.
»Dann lassen wir Sie jetzt mal allein « , bot Betsy an und zog sich zurück.
Als sie einige Minuten später ihren Rundgang beendet hatte und zu den Arbeitsplätzen zurückkehrte, fiel ihr sofort auf, dass sich Captain Garrets Verhalten verändert hatte. Die Trauermiene war verschwunden. Stattdessen stand er mit starrem Blick über den Schreibtisch gebeugt und ließ seine Finger regelrecht über die Tastatur fliegen, während er eine E-Mail schrieb.
Als er sie bemerkte, schickte er das Schreiben ab. Und noch ehe sie ihn dafür tadeln konnte, sich derartige Freiheiten herauszunehmen, schloss er die in dem Ordner markierten Dateien.
»Captain Garret « , rief Betsy und eilte auf ihn zu. »Was um alles in der Welt machen Sie da ?«
»Was soll das denn heißen ?« , konterte er und richtete sich auf, sodass er sie überragte. »Die E-Mails meiner Frau gehen nur mich etwas an. Sonst niemanden .«
»Nun … « Damit hatte er ihr den Wind aus den Segeln genommen. »Dann hoffe ich, dass Sie etwas Aufschlussreiches gefunden haben « , sagte sie erneut besorgt.
»Nicht wirklich .« Doch der Glanz in seinen dunklen Augen strafte seine Worte Lügen. »Trotzdem vielen Dank, Mrs Bartlett « , gab er zurück. »Schönen Tag noch .« Er drehte sich auf dem Absatz seiner polierten Schuhe um, marschierte hinaus und ließ die persönlichen Gegenstände, die er angeblich hatte mitnehmen wollen, achtlos stehen und liegen.
»So was .« Betsy blickte ihm verständnislos hinterher.
11
Als Sara in der winzigen Küche ihrer Mutter Getreideflocken in eine Schüssel schüttete, hörte sie, wie ein Schlüssel ins Türschloss geschoben wurde. Es war kurz nach sechs Uhr morgens, um diese Zeit kehrte Rachel aus dem Krankenhaus zurück, in dem sie als Nachtschwester auf der Entbindungsstation arbeitete. Ihre Katze, eine Russisch Blaue namens Mosby, lief zur Tür, um sie willkommen zu heißen.
Da Kendal auf dem Sofa eingeschlafen war, begrüßten Sara und ihre Mutter einander wortlos. Rachel stellte ihre Handtasche auf dem Beistelltisch ab und hob beim Durchqueren des Zimmers ihre Katze vom Boden auf. »Du bist früh auf « , bemerkte sie mit gesenkter Stimme.
»Wie war’s auf der Arbeit ?« , entgegnete Sara.
»Ereignisreich .« Vor Erschöpfung seufzend, ließ sich Rachel auf einen der beiden Stühle neben dem winzigen Esstisch sinken. Durch das dahinterliegende Fenster konnte man auf den schmalen Streifen Land der Wohnwagensiedlung Willow Woods schauen. »Letzte Nacht wurden elf Kinder entbunden. Lag sicher am Vollmond .«
Sara brachte ihre Getreideflocken zum Tisch und nahm ihrer Mutter gegenüber Platz. »Du liebe Güte. Bestimmt .«
»Kannst du nicht schlafen ?« , fragte Rachel und blickte sie forschend an.
»Nicht so richtig. Auf der Ranch gab es einen Hahn, der mich jeden Tag beim ersten Morgengrauen geweckt hat. So wie’s aussieht, habe ich mich wohl daran gewöhnt .« Sie hörte, wie die Getreideflocken beim Kauen zwischen ihren Zähnen knirschten, und war sich des aufmerksamen Blicks ihrer Mutter bewusst.
Es kam ihr so vor, als hätten sie sich während der ersten achtundvierzig Stunden ihres Wiedersehens nur angesehen. Sara hatte mit Erstaunen festgestellt, wie sehr sie ihrer leiblichen Mutter ähnelte, bis hin zu der Tatsache, dass der zweite Zeh an ihren Füßen ein wenig länger war als der erste.
Sie hatten sich auf Anhieb gemocht, bedingungslos, so sehr, dass man beinahe an eine Seelenverwandtschaft denken mochte. Doch da nur siebzehn Jahre Altersunterschied zwischen ihnen lagen, glich ihre Beziehung eher der von Geschwistern als der von Mutter und Tochter.
»Was hast du, Sara ?« , erkundigte sich Rachel sanft. »Du machst dir doch nicht immer noch Gedanken darüber, dass du mir zur Last fallen könntest, oder ?«
Sara hatte diese Befürchtung wenige Minuten nach ihrer Ankunft geäußert. Nun schenkte sie Rachel ein
Weitere Kostenlose Bücher