Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Führerscheine der Verhandlungspartner bei Grundstücksverkäufen – Sie wissen schon, damit die Identität eindeutig belegt ist, denn es werden ja juristische Dokumente unterzeichnet.«
Michelle wäre vor Aufregung beinahe aufgesprungen. »Können Sie mir dieses Bild faxen, möglichst sofort?«
»Nein, leider nicht.«
»Aber das unterliegt doch nicht dem Datenschutz.«
»Nein. Darum geht es auch nicht.« Er seufzte und sagte dann: »Sehen Sie, als ich vorhin diese Akte aufschlug, geschah dies zum ersten Mal seit dem Abschluss der Transaktion. Und – was soll ich sagen –, na ja, also die Kopie von Mr Scotts Führerschein habe ich darin nicht vorgefunden.«
»Vielleicht wurde vergessen, eine zu machen.«
»Meine Sekretärin ist schon seit dreißig Jahren bei mir tätig und hat so etwas noch nie vergessen.«
»Also hat vielleicht jemand die Kopie aus der Akte entfernt.«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll. Sie ist einfach nicht da.«
»Erinnern Sie sich noch, wie dieser Bob Scott aussah?«
»Ich habe ihn nur einmal zu Gesicht bekommen, und das nur kurz, nämlich bei Vertragsabschluss. Und davon gibt es bei mir jedes Jahr Hunderte.«
»Könnten Sie eine Minute darüber nachdenken und ihn mir dann beschreiben?«
Der Notar tat ihr den Gefallen. Michelle bedankte sich für das Gespräch und legte auf.
Die vage Personenbeschreibung ließ beim besten Willen keinen sicheren Rückschluss auf die Identität jenes Bob Scott zu. Abgesehen davon, konnte sich die äußere Erscheinung eines Menschen innerhalb von acht Jahren sehr verändern, vor allem, wenn es sich, wie in Scotts Fall, um einen Aussteiger handelte. Auch wie Denby aussah, konnte Michelle nicht sagen. Himmel, ich bewege mich nur noch im Kreis, dachte sie, atmete mehrmals tief durch und rief sich ins Bewusstsein, dass es Sean mit Sicherheit nicht helfen würde, wenn sie jetzt in Panik geriet.
Da sie bei ihren eigenen Ermittlungen im Augenblick nicht weiterkam, zerbrach sie sich den Kopf über die Spuren, die King zum Schluss verfolgt hatte. Er sei auf etwas gestoßen, hatte er gesagt, das zusätzliche Recherchen erfordere. Aber was genau hatte er gesagt? Er war extra irgendwo hingefahren… nur, wohin? Michelle zermarterte sich ihren angeschlagenen Kopf.
Und dann fiel es ihr plötzlich wieder ein. Sie schnappte sich ihr Schlüsselbund und rannte hinaus zu ihrem Wagen.
KAPITEL 68
Auf dem Campus der Universität von Virginia betrat Michelle mit schnellen Schritten die Bibliothek der Juristischen Fakultät und begab sich direkt zum Informationsschalter. Die Frau, die dort Dienst tat, war nicht dieselbe, die King geholfen hatte, doch Michelle wurde von ihr an die entsprechende Bibliothekarin verwiesen.
Michelle zeigte ihre Dienstmarke vor und erklärte der Frau, sie müsse wissen, welche Nachforschungen King hier betrieben hatte.
»Ich habe in den Nachrichten gehört, dass sein Haus abgebrannt ist. Ist er wohlauf? Darüber wurde nichts gesagt.«
»Das wissen wir bis jetzt noch nicht. Und deshalb brauche ich Ihre Hilfe.«
Die Frau berichtete Michelle, wonach King gefragt hatte, ging dann mit ihr in denselben Nebenraum und loggte sie in das entsprechende Programm ein.
»Es war das Martindale-Hubbell-Branchenverzeichnis«, sagte sie.
»Tut mir Leid, ich bin keine Juristin. Was ist das denn?«
»Ein Verzeichnis, das alle in den Vereinigten Staaten zugelassenen Anwälte enthält. Sean hat selber eine Ausgabe in seinem Büro, aber eben nur die neueste. Er brauchte eine ältere Auflage.«
»Hat er erwähnt, wie alt?«
»Aus den frühen Siebzigern.«
»Hat er sonst noch was dazu gesagt? Irgendwas, das mir einen genaueren Hinweis geben könnte?« Michelle wusste nicht genau, wie viele Anwälte in den Vereinigten Staaten zugelassen waren, aber sie hatte so eine Ahnung, dass ihre Zeit bei weitem nicht ausreichen würde, alle genau durchzugehen.
Die Bibliothekarin schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, mehr weiß ich auch nicht.«
Sie ging, und Michelle blickte niedergeschlagen auf den Bildschirm, als sie sah, dass das Verzeichnis weit über eine Million Namen enthielt. Meine Güte, dachte sie, wir haben über eine Million Anwälte? Kein Wunder, dass das Land allmählich auf den Hund kommt.
Da sie keinen blassen Schimmer hatte, womit sie beginnen sollte, ließ sie ihren Blick über die Homepage gleiten und fand ein Drop-Down-Menü, bei dessen Anblick sie sich unwillkürlich wieder aufrichtete. »Letzte Suchvorgänge« lautete die Überschrift, und
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