Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Tennessee, den zu kennen sich lohnte. Michelle erklärte ihrem Vater, was sie brauchte.
»Alles in Ordnung mit dir? Du klingst nicht gerade wie’s blühende Leben.«
»Wahrscheinlich hast du es noch nicht gehört, Dad. Gestern Nacht haben sie Sean Kings Haus in die Luft gejagt, und er wird vermisst.«
»Mein Gott! Aber dir ist hoffentlich nichts passiert?«
»Mir geht’s gut.« Den Mordanschlag auf sie selbst erwähnte sie nicht. Schon vor Jahren hatte sie beschlossen, ihrem Vater nicht allzu viel aus ihrem Berufsleben zu erzählen. Seine Söhne konnten sich in die größten Gefahren begeben – Vater würde nur sagen, das gehöre zu ihrem Job. Einen Mordversuch an seiner Tochter würde er nicht so gleichmütig hinnehmen. »Dad, ich brauche diese Auskunft so schnell wie möglich.«
»Schon kapiert. Ich melde mich bald.« Er legte auf.
Im Hotel schnappte Michelle sich Joans Aufzeichnungen und führte mehrere Telefongespräche in Sachen Doug Denby, das letzte mit seinem Haus in Jackson, Mississippi. Die Frau, die sich meldete, wollte keinerlei Auskunft über Denby geben, ja, sie war nicht einmal bereit zu bestätigen, dass er dort wohnte. Ein solches Verhalten war nicht ungewöhnlich, zumal Michelle für sie eine Unbekannte war. Dennoch: Wenn Denby Geld hatte und nicht verpflichtet war, irgendwo regelmäßig zur Arbeit zu erscheinen, dann konnte er sich sonst wo herumtreiben. Und niemand, mit dem Michelle gesprochen hatte, konnte Denby ein Alibi für die in Frage kommenden Zeiten geben. Seine Position in Ritters Wahlkampfmannschaft machte ihn definitiv verdächtig – offen blieb nur die Frage nach dem Motiv.
Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Es war ihr Vater. Er fasste sich kurz, und Michelle notierte sich die Information.
»Dad, du bist doch der Beste. Ich liebe dich.«
»Schön, schön, aber es wäre nett, wenn du dich öfter mal hier blicken ließest…« Er zögerte kurz, dann fügte er rasch hinzu: »Deine Mutter fragt ständig nach dir.«
»Abgemacht. Sobald ich diese Geschichte hier in trockenen Tüchern habe, komme ich heim.«
Sie wählte die Nummer, die sie von ihrem Vater bekommen hatte. Sie gehörte dem Notariat, über das der Verkauf des Grundstücks in Tennessee an Bob Scott abgewickelt worden war. Michelles Vater hatte den Notar bereits telefonisch auf den Anruf seiner Tochter vorbereitet.
»Ich kenne Ihren Vater nicht persönlich, habe aber von gemeinsamen Bekannten wahre Wunderdinge über ihn gehört«, sagte der Mann. »Soweit ich verstanden habe, geht es um einen Grundstücksverkauf.«
»Richtig. Sie haben damals den Verkauf eines aus einem Nachlass stammenden Grundstücks an einen gewissen Robert Scott beurkundet.«
»Ja, das hat Ihr Vater bereits erwähnt, und ich hab mir die Akte herausgesucht. Robert Scott war der Käufer. Er bezahlte bar; die Summe war ohnehin nicht hoch. Das einzige Gebäude war eine alte Hütte. Ansonsten ist es ein ziemlich großes Stück Land, aber zum allergrößten Teil dicht bewaldet und in unzugänglicher Gebirgslage.«
»Soweit mir bekannt, wusste der vormalige Besitzer nichts von dem Bunker auf seinem Grund.«
»Ihr Vater hat mich schon auf diesen Bunker angesprochen. Ehrlich gesagt, ich wusste auch nichts davon. Bei der rechtlichen Überprüfung der Besitzansprüche wurde er nicht erwähnt, und es gab für mich auch sonst keinen Grund zu der Annahme, dass ein solcher Bunker existierte. Andernfalls hätte ich mich wahrscheinlich an die Armee gewandt. Ich meine, was soll man mit einem Bunker schon anfangen?«
»Kennen Sie das Grundstück aus persönlicher Anschauung?«
»Nein.«
»Aber ich. In den Bunker gelangt man durch eine Tür im Keller.«
»Das ist unmöglich!«
»Warum?«
»Dort gab es keinen Keller. Der Grundriss der Hütte liegt vor mir.«
»Na, vielleicht gab es noch keinen Keller, als sie noch Ihrem Klienten gehörte. Heute gibt es aber einen. Vielleicht wusste dieser Bob Scott von dem Bunker und baute den Keller, um von der Hütte aus einen Zugang zu bekommen.«
»Das könnte möglich sein. Ich bin sämtliche Eigentumsurkunden durchgegangen. Seit es nicht mehr im Besitz der Armee ist, hat das Grundstück häufig den Eigentümer gewechselt. Auch die Hütte hat erst einer der späteren Eigentümer gebaut, die gab es zur Zeit des Militärs noch gar nicht.«
»Sie haben nicht zufällig ein Foto von Bob Scott, oder? Das wäre sehr wichtig für mich«, sagte Michelle.
»Nun, normalerweise fotokopieren wir die
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