Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
darunter waren einige wenige Dokumente aufgelistet, die der letzte Nutzer sich via Internet heruntergeladen hatte.
Michelle klickte das erste Dokument an. Kaum hatte sie den Namen des Anwalts und seine Adresse erblickt, sprang sie auch schon auf und sprintete, vorbei an zahllosen verblüfft aufblickenden Anwälten in spe, quer durch den Lesesaal der Bibliothek.
Längst bevor sie ihren Wagen erreichte, hielt sie ihr Handy am Ohr. Ihre Gedanken überschlugen sich geradezu und beantworteten all die ungelösten Fragen mit einer solchen Geschwindigkeit, dass ihr Gesprächspartner schon dreimal »Hallo!« gerufen hatte, bevor sie es überhaupt merkte.
»Parks!«, schrie sie ins Telefon. »Hier ist Michelle Maxwell! Ich glaube, ich weiß, wo Sean ist. Und ich weiß auch, wer hinter der ganzen verdammten Sache steckt.«
»Wie? Was? Immer mit der Ruhe… Können Sie sich etwas genauer ausdrücken?«
»Wir treffen uns vor der Cafeteria Greenberry im Barracks-Road-Einkaufszentrum. Kommen Sie, so schnell Sie können. Und alarmieren Sie die Kavallerie. Wir müssen uns beeilen.«
»In der Barracks Road? Sind Sie denn nicht mehr im Krankenhaus?«
Ohne eine Antwort zu geben, schaltete Michelle das Handy ab.
Als sie davonfuhr, hoffte sie zu Gott, dass sie nicht zu spät kamen.
Parks sah Michelle vor der Cafeteria stehen und ging auf sie zu. Er war allein und wirkte alles andere als begeistert. »Was, zum Teufel, haben Sie hier zu suchen? Sollten Sie nicht im Krankenhaus bleiben?«
»Wo sind Ihre Leute?«, fragte sie zurück.
Der Marshal war offensichtlich schlechter Laune. »Was bilden Sie sich eigentlich ein? Dass ich mit der gesamten Kavallerie am Lagerfeuer hocke und bloß drauf warte, dass Sie das Horn zum Aufbruch blasen? Sie rufen mich an, schreien mir was ins Ohr, verraten mit keinem Wort, was eigentlich los ist, und erwarten dann von mir, dass ich eine komplette Armee herbeizaubere, ohne die geringste Ahnung, gegen wen wir marschieren werden! Ich arbeite für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, meine Dame, genau wie Sie, und unsere Budgets sind sowohl in finanzieller wie in personeller Hinsicht begrenzt. Ich bin doch nicht James Bond!«
»Schon gut, schon gut, ich entschuldige mich. Ich war bloß so fürchterlich aufgeregt. Und wir haben nicht viel Zeit.«
»Jetzt holen Sie erst mal tief Luft, konzentrieren sich und erzählen mir genau, was los ist. Und wenn Sie wirklich das Ei des Kolumbus gefunden haben und wir Leute brauchen, dann sorge ich dafür. Kostet mich nur einen Anruf. Okay?« In seinem Blick lag eine ausgewogene Mischung aus Hoffnung und Skepsis.
Michelle atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. »Sean hat in der Bibliothek nach dem Namen eines Rechtsanwalts gesucht, der höchstwahrscheinlich Arnold Ramsey nach seiner damaligen Verhaftung vertreten hat.«
»Ramsey wurde verhaftet? Wo haben Sie das denn her?«
»Da sind Sean und ich mehr oder weniger zufällig drauf gekommen.«
Parks sah sie neugierig an. »Wie hieß dieser Anwalt denn?«
»Roland Morse, er war Anwalt in Kalifornien und muss der Vater von Sidney Morse sein. Und Sidney Morse muss Arnold Ramsey schon ewig gekannt haben, vielleicht schon seit Collegezeiten. Aber das ist nebensächlich, Jefferson. Denn natürlich steckt nicht Sidney dahinter, sondern Peter Morse, sein jüngerer Bruder. Ich weiß, es klingt an den Haaren herbeigezogen, aber ich bin mir fast hundertprozentig sicher, dass er der Kerl ist, hinter dem wir her sind. Sean passt einen Augenblick lang nicht auf, da wird Clyde Ritter erschossen, und Sidneys Leben ist ruiniert. Peter Morse verfügt über das Geld und den kriminellen Hintergrund, um so eine Sache auszubaldowern. Er rächt seinen Bruder, der in einer psychiatrischen Klinik sitzt und nur noch Tennisbälle fängt. Und wir hatten den Kerl noch nicht einmal auf der Liste unserer Verdächtigen. Er hält Sean und Joan und Bruno gefangen. Und ich weiß auch wo.«
Als sie es ihm verriet, erwiderte Parks: »Schön, worauf warten wir dann noch, Teufel auch! Ab geht die Post!« Sie kletterten in Michelles Wagen, und sie schoss mit einem Reifen mordenden Kavalierstart aus der Parklücke. Währenddessen trommelte Parks über sein Handy »die Kavallerie« zusammen.
Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, dachte Michelle.
KAPITEL 69
King erwachte mit einem furchtbaren Brummschädel und war sich jetzt absolut sicher, dass man ihn unter Drogen gesetzt hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder
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