Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
wieder ein menschlicher Schutzschild, was, Sean?«, stellte Morse grinsend fest. »Das scheint Ihr klägliches Los in diesem Leben zu sein.«
»Bruno ist entkommen – und so wahr mir Gott helfe: Für den Mord an Michelle werde ich Sie umbringen!«
Morse starrte ihn selbstsicher an. »Bruno wird dieses Hotel nicht lebend verlassen. Und was Maxwell betrifft, so hat sie einfach Pech gehabt. Wenigstens ist sie in offener Feldschlacht gefallen. Mehr kann sich eine Agentin des Secret Service doch nicht wünschen, oder?«
Er wandte sich wieder an Kate. »Du hast eine Frage gestellt. Warum geschieht dies alles ausgerechnet jetzt? Ich will sie dir beantworten: Es geht heute ebenso wenig um John Bruno, wie es damals um Clyde Ritter ging.« Er richtete seine Pistole auf Kate. »Vor acht Jahren ging es um deinen Vater. Und heute geht es allein um dich, meine liebe, süße Kate.«
Ihre Brust hob und senkte sich schwer, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Um mich?«, fragte sie.
Morse lachte. »Du bist doch wirklich genauso töricht wie dein Vater.« Er sah King an. »Sie haben behauptet, Regina hätte mich abgewiesen, weil sie mich nicht liebte und die Magie der Bühne sie nicht mehr lockte. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Ich glaube, dass sie mich sehr wohl geliebt hat – nur kam für sie nach Arnolds Tod eine Rückkehr auf die Bühne nicht mehr in Frage. Sie konnte nicht noch einmal mein Star werden, weil es da jemanden gab, der sie dringender brauchte.« Jetzt wandte er sich wieder an Kate. »Und zwar dich. Dich konnte deine Mutter nicht verlassen. Sie hat mir gesagt, du brauchtest sie, du wärest ihr Lebensinhalt. Was für ein unglaublicher Fehler von ihr! Was ist schon ein kleiner, armseliger Teenager gegen eine legendäre Karriere am Broadway, gegen ein Leben mit mir?«
»Das können Sie nicht begreifen, weil ein Mann wie Sie keine Ahnung von wahrer Liebe hat«, sagte King. »Und wie können Sie Kate die Schuld daran geben? Sie wusste doch von alldem gar nichts.«
»Ich kann ihr die Schuld geben an allem, was mir passt!«, brüllte Morse. »Und das Beste kommt ja erst noch: Als Regina diesen Idioten Jorst heiraten wollte, war sie voll und ganz dafür! O ja, ich hatte meine Spione. Kate wollte jemanden, der genauso war wie ihr Vater. Allein das rechtfertigt schon ihren Tod. Aber das ist noch längst nicht alles. Ich habe deine Laufbahn verfolgt, Kate. Du bist genauso geworden wie dein elender Vater, diese ewige erbärmliche Protestiererei und diese Demonstrationen, dieses ach so edle Gutmenschentum! Für mich war das nur ein Déjà-vu. Arnold hatte ich umgebracht, aber da war er wieder, einfach nicht totzukriegen, wie eine Hydra.« Morse musterte die junge Frau mit zusammengekniffenen Augen und fügte mit etwas ruhigerer Stimme hinzu: »Dein Vater hat mein Leben ruiniert, indem er die Frau, die ich brauchte, die Frau, die ich verdient hatte, von mir fern hielt. Und nach seinem Tod hast du da weitergemacht, wo er aufgehört hatte. Ohne dich hätte Regina mir gehört.«
»Ich glaube nicht, dass meine Mutter einen Mann wie Sie jemals hätte lieben können«, widersprach Kate. »Ich kann es ja selbst kaum fassen, dass ich Ihnen vertraut habe.«
»Ich bin durchaus selber ein Schauspieler von Format, meine Liebe. Und du warst so leichtgläubig! Als John Bruno seine Kandidatur ankündigte, habe ich sofort an dich gedacht. Was für ein Glücksfall! Ausgerechnet der Mann, der deinen Vater wegen eines Verbrechens anklagen wollte, das ich ihm in die Schuhe geschoben hatte – ausgerechnet der bewirbt sich um das gleiche Amt wie der Mann, den dein Vater erschossen hat! Das war so perfekt, dass mir sofort der Gedanke an eine Neuinszenierung kam. Also hab ich dich besucht, dir die ganze traurige Geschichte über deinen armen Vater aufgetischt, und du hast sie mir Wort für Wort abgekauft.«
Kate wollte auf Morse losgehen, doch King hielt sie zurück. »Sie haben mir erzählt, Sie seien ein guter Freund meiner Eltern gewesen!«, schrie sie. »Und dass Sie meinem Vater geholfen hätten, als er wegen Mordes im Gefängnis saß, und dass Bruno an Vaters Karriereknick schuld wäre!« Sie wandte sich an King. »Er hat mir einen Haufen Zeitungsausschnitte darüber gebracht. Er hat behauptet, er kenne meine Eltern und hätte ihnen geholfen, lange vor meiner Geburt. Mir gegenüber haben sie ihn allerdings nie erwähnt. Und dann kam er noch mit dieser Geschichte aus dem Fairmount-Hotel: Er wäre an jenem Tag dort gewesen und
Weitere Kostenlose Bücher