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Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman

Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman

Titel: Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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nicht mehr«, erwiderte er.
    Sie setzte sich wieder in ihren Wagen und fuhr durch die großenteils verlassene und verarmte Stadt. Immer wieder sah sie alte Menschen; sie saßen entweder auf den durchhängenden Veranden neben der Haustür, oder sie schlichen durch ihre kleinen, vernachlässigten Gärten. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, fragte sie sich unwillkürlich, was Clyde Ritter vor acht Jahren wohl veranlasst haben mochte, ausgerechnet hier auf seiner Wahlkampfreise Station zu machen. Wahrscheinlich hätte er auf einem Friedhof mehr Stimmen abstauben können.
    Das Fairmount-Hotel lag einige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Dass es bessere Tage gesehen hatte, war eine völlig unzureichende Untertreibung – es schien überhaupt nur noch von einer einzigen windschiefen Strebe vor dem Einsturz bewahrt zu werden. Das sieben Stockwerke hohe, über hundert Jahre alte Gebäude wurde von einem mannshohen Eisengitterzaun umschlossen und präsentierte sich als architektonisches Sammelsurium, in dem einerseits die amerikanische Neugotik mit ihren Scheintürmchen, Balustraden und Türmen, andererseits durch die mit Stuck verzierten Wände und das rote Ziegeldach auch mediterrane Stilelemente vertreten waren.
    Die überwältigende Hässlichkeit des Gesamteindrucks übersteigt jegliche Vorstellungskraft, dachte Michelle.
    Am Zaun waren mehrere Schilder mit der Aufschrift »Zutritt verboten« angebracht. Michelle konnte aber weit und breit kein Wachhäuschen und keine Patrouille sehen. Dafür entdeckte sie an der Längsseite des Hotels ein Loch im Zaun. Ihr Secret-Service-Training hinderte sie daran, sofort hindurchzuschlüpfen; erst wollte sie die Umgebung erkunden.
    Das Gelände war rundherum ziemlich eben, mit Ausnahme eines Hanges auf der Rückseite des Gebäudes, der zum Zaun hin abfiel. Michelle lächelte, nachdem sie den Winkel zwischen Hang und Zaun kritisch geprüft hatte. Sie war zwei Jahre hintereinander Staatsmeisterin im Hoch- und Weitsprung gewesen. Mit einem anständigen Rückenwind und bei entsprechender Ausnutzung des Hanges könnte sie den verdammten Zaun vielleicht sogar überspringen. Noch vor zehn Jahren hätte sie es wahrscheinlich einfach versucht – aus Jux und Tollerei. Sie setzte ihren Inspektionsgang fort und beschloss, auch den angrenzenden Wald mit einzubeziehen. Plötzlich hörte sie das Geräusch fließenden Wassers und ging ihm nach.
    Der Wald wurde immer dichter, doch nach ein paar Minuten hatte Michelle die Geräuschquelle ausfindig gemacht. Am Rande eines senkrecht abfallenden Steilufers stehend, blickte sie auf einen in ungefähr zehn Meter Tiefe strömenden, nicht sehr breiten Fluss hinunter. Schmale Felsvorsprünge sowie hier und da kleinere, rundliche Felsbrocken ragten aus der Uferwand hervor. Im nächsten Augenblick löste sich auch schon ein mittelgroßer Stein, der hinunterkollerte, platschend im tiefen Wasser landete und von der Strömung mitgerissen wurde. Michelle lief ein Schauer über den Rücken; sie war nicht ganz frei von Höhenangst. Rasch drehte sie sich um und kehrte im schwindenden Schein der Abendsonne zum Gelände des Fairmount-Hotels zurück.
    Sie schlüpfte durch das Loch im Zaun und suchte sich einen Weg zu dem pompösen Haupteingang, der allerdings abgeschlossen und zusätzlich mit einer Kette gesichert war. Ein Stück weiter, auf der linken Seite des Gebäudes, entdeckte sie jedoch ein großes Fenster, dessen Scheibe herausgebrochen war. Hier konnte sie problemlos in das Haus einsteigen. In der Annahme, dass der Strom abgeschaltet war, hatte sie eine Taschenlampe mitgenommen. Die knipste sie nun an und begann mit ihrer Inspektion. Die Räume, durch die sie kam, waren feucht und schimmelig und zentimeterhoch mit Staub bedeckt. Außerdem wimmelte es von Ungeziefer – jedenfalls ließ das ständige Scharren und Kratzen, das zu hören war, dies vermuten. Michelle sah umgestürzte Tische, Zigarettenkippen, leere Schnapsflaschen und gebrauchte Kondome. Das aufgelassene Hotel diente offensichtlich der kleinen Minderheit der Untersiebzigjährigen von Bowlington als veritabler Nachtclub.
    Unter den Akten, die ihre Freundin ihr überlassen hatte, war auch ein Grundriss des Hotels gewesen. Mit dessen Hilfe fand Michelle den Weg zum Foyer und von dort auch zu jenem Versammlungssaal, in dem Clyde Ritter erschossen worden war. Er war inzwischen mit Mahagoni vertäfelt; an der Decke hingen protzige Kronleuchter, und der Boden war mit schwerer burgunderfarbener Auslegeware

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