Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Lieblingsthese ist immer noch die, dass Sie ihn ans Messer geliefert haben und dass der echte Killer Sie dafür in die Pfanne hauen will.« Parks senkte kurz den Blick und sah auf den Boden. »Bisher ist noch nie ein Schützling des WITSEC-Programms, der sich an die Regeln hielt, ermordet worden. Das war ein großes Plus in unseren Verhandlungen mit potenziellen Kronzeugen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Außerdem war ich der Mann, der Jennings betreut und in dieses Kaff gelotst hat. Wenn Sie ihn also tatsächlich in die Falle haben tappen lassen, werde ich persönlich den Knast aussuchen, in dem Sie landen, und Sie können Gift darauf nehmen, dass es ein Knast sein wird, wo Sie drei Stunden nach der Einlieferung winselnd um Ihre Hinrichtung betteln werden, Schweinehund hin oder her.« Parks setzte sich hinters Steuerrad, tippte an den Schirm seiner DEA-Baseballkappe und fügte zum Abschied hinzu: »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!«
KAPITEL 20
Am nächsten Tag verließ King Wrightsburg schon früh, kämpfte sich durch den morgendlichen Stoßverkehr und erreichte gegen zehn Uhr vormittags Reston, Virginia. Das neunstöckige Bürogebäude war noch ziemlich neu und bisher nur etwa zur Hälfte vermietet. Vor einigen Jahren war der gesamte Komplex von einer Internet-Firma angemietet worden. Dass sie weder über Produkte noch über Profite verfügten, hinderte die Eigentümer nicht daran, den verfügbaren Büroraum üppigst auszustatten. Danach waren sie erstaunlicherweise pleite. Die Umgebung war sehr angenehm: Es gab Läden und Restaurants im nahe gelegenen Reston Town Center. Gut gekleidete Kunden frequentierten teure Geschäfte. Durch die verstopften Straßen quälten sich die Verkehrsteilnehmer ihren Zielen entgegen. Über allem lag eine Atmosphäre der Dynamik, des Vorwärtsstrebens. King hatte dafür jedoch keinen Sinn. Er hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und wollte es erledigen. Danach stand die sofortige Rückkehr in die ländliche Idylle der Blue Ridge Mountains auf dem Programm.
Im Obergeschoss des Gebäudes residierte inzwischen eine Firma, die schlicht und einfach als Agency bekannt war. Unter diesem Namen war sie auch im Handelsregister eingetragen und konnte ihn von daher kommerziell verwenden – wahrscheinlich sehr zum Unmut der CIA. Die Agency war eine der führenden Privatdetekteien und Sicherheitsfirmen im Lande. King fuhr im firmeneigenen Fahrstuhl hinauf und winkte dabei in die Überwachungskameras. In einem kleinen Wartezimmer neben der Lobby wurde er von einem Typ empfangen, der aussah, als trage er Waffen und sei auch jederzeit bereit, davon Gebrauch zu machen. King wurde durchsucht und musste, bevor man ihn zum Empfang ließ, auch noch durch einen Metalldetektor gehen. Die Lobby war geschmackvoll eingerichtet. Außer einer aufmerksamen Dame am Empfangstisch, die seinen Namen notierte und dann an ihrem Telefon eine Nummer wählte, war niemand anwesend.
Ein modisch gekleideter junger Mann mit breiten Schultern und gelocktem schwarzem Haar, der einen Kopfhörer trug und ein auffallend arrogantes Benehmen zur Schau trug, geleitete ihn zu einer Tür, öffnete sie, ließ ihn eintreten und machte sie hinter ihm wieder zu. King sah sich in dem Büro um. Es war ein Eckzimmer mit vier Fenstern, die alle stark getönt waren, obwohl hier im Obergeschoss allenfalls Vögel oder Zeitgenossen in bedrohlich niedrig fliegenden Flugzeugen hätten hereingucken können. Insgesamt wirkte es klar und ruhig und, bei allem Understatement, unverkennbar von Wohlstand geprägt.
Eine Seitentür ging auf, und eine Frau trat ein. King konnte sich nicht entscheiden, ob er sie mit einem saloppen »Hallo!« begrüßen oder bewusstlos schlagen und auf ihrem Schreibtisch erdrosseln sollte.
»Ich finde es rührend, dass du dich durch den Berufsverkehr gekämpft hast, um mich zu besuchen«, sagte Joan. Sie trug einen dunklen Hosenanzug, der ihrer Figur schmeichelte – was freilich eine Reihe anderer denkbarer Kostümierungen auch getan hätte. Der elegante Schnitt und die zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätze machten sie indessen größer, als sie war.
»Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu sehen.«
»Das ist nur fair, wenn man berücksichtigt, wie viel du von mir kürzlich gesehen hast. Trotzdem hat es mich sehr überrascht, so bald schon wieder von dir zu hören.«
»Nun, dann steht es eins zu eins zwischen uns, denn ich kann dir gar nicht sagen, wie geschockt ich war, als ich
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