Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
manchmal ein richtiges Arschloch sein, Sean, weißt du?«
Er stellte seine Kaffeetasse ab und rückte ganz nahe an Joan heran. »Ich red jetzt mal Klartext, damit wir uns nicht missverstehen: In meinem Büro liegt ein Toter, erschossen mit meiner Dienstwaffe. Ich habe kein Alibi, und es gibt da einen verdammt scharfen Marshal, der mir vielleicht meine Austauschtheorie abkauft, aber keineswegs von meiner Unschuld überzeugt ist. Dieser Mann würde keine einzige Träne vergießen, wenn man mich für den Rest meines Lebens einlochen oder mich mithilfe eines Käfergifts ins Jenseits befördern würde. Und da tauchst plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel du auf, besuchst mich und vergisst doch tatsächlich mir zu sagen, dass du nicht mehr beim Secret Service bist. Du entschuldigst dich wortreich, bist katzenfreundlich und erreichst schließlich, dass ich dich bei mir übernachten lasse. Am nächsten Morgen tust du dein Bestes, um mich auf dem Küchentisch zu verführen – aus Gründen, die ich mir bis heute nicht erklären kann. Es kann dir ja wohl nicht allein darum gegangen sein, eine acht Jahre alte Wunde wieder aufzureißen. Während ich draußen auf dem See bin, bist du in meinem Haus allein. Und meine Dienstpistole hat sich, als sie am späteren Vormittag abgeholt wird, auf mysteriöse Weise in eine Mordwaffe verwandelt. Nun kann es ja sein, Joan, dass ich grundsätzlich argwöhnischer bin als Otto Normalverbraucher, aber ich müsste schon an der Herz-Lungen-Maschine hängen und künstlich beatmet werden, wenn mich diese Kette von Ereignissen kalt lassen sollte. Ein leichter Verfolgungswahn muss da schon gestattet sein.«
Sie sah ihn mit geradezu aufreizender Gelassenheit an. »Ich habe dir deine Pistole nicht weggenommen, und ich kenne auch keinen Menschen, der das getan haben könnte. Beweisen kann ich das allerdings nicht. Ich gebe dir mein Wort, das ist alles.«
»Was für eine unbeschreibliche Erleichterung!«
»Ich habe dir gegenüber niemals behauptet, dass ich noch beim Service arbeite. Das hast du einfach vorausgesetzt.«
»Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du den Dienst quittiert hast!«, gab er scharf zurück.
»Du hast mich mit keinem Wort danach gefragt!« Sie zögerte kurz und setzte hinzu: »Und außerdem war das nicht mein Bestes!«
King blickte sie verwirrt an. »Was?«
»Du hast gesagt, ich hätte mein Bestes getan, um dich zu verführen. Nur fürs Protokoll: Das war nicht mein Bestes.«
Sie lehnten sich beide zurück und schwiegen. Anscheinend fehlten ihnen die Worte oder die Atemluft. Oder beides.
»Okay«, sagte King nach einer Weile, »wie immer das Spielchen heißen mag, das du mit mir spielst, mach ruhig weiter so. Der Mord an Jennings wird mich nicht umbringen, denn ich habe ihn nicht begangen.«
»Ich auch nicht, und ich versuche auch nicht, ihn dir anzuhängen. Aus welchem Grund auch?«
»Wenn ich das wüsste, wäre ich wohl kaum hier, oder?« King erhob sich. »Danke für den Kaffee. Nächstes Mal lass die Blausäure draußen, ich krieg davon Blähungen.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dich aus einem ganz bestimmten Grund besucht habe.« Er starrte sie an. »Aber ich bin dann einfach nicht mehr zu einer Erklärung gekommen, was wahrscheinlich daran lag, dass mich unsere Wiederbegegnung nach all den Jahren doch stärker beeindruckt hat, als ich mir das vorgestellt hatte.«
»Und was war das für ein Grund?«
»Ich wollte dir ein Angebot machen.« Rasch fügte sie hinzu: »Ein geschäftliches Angebot, wohlgemerkt.«
»Worum geht es?«
»Es geht um John Bruno«, erwiderte sie.
King kniff die Augen zusammen. »Was hast du mit einem abgängigen Präsidentschaftskandidaten am Hut?«
»Unsere Firma verdankt mir einen entsprechenden Auftrag: Wir sollen herausfinden, was ihm zugestoßen ist. Anstelle unseres Standardhonorars habe ich diesmal allerdings eine andere Zahlungsvereinbarung ausgehandelt, und zwar folgende: Unsere Spesen werden alle ersetzt, der Tagessatz ist aber deutlich niedriger. Allerdings ist die Prämie im Falle eines Erfolgs äußerst lukrativ.«
»Was? Ein Finderlohn? Im Ernst, Joan…«
»Ja, und zwar in Höhe von einigen Millionen Dollar, präzise ausgedrückt. Und da ich es war, die diesen Auftrag an Land gezogen habe, bekomme ich sechzig Prozent. Unsere Firma hält sich an die Devise, dass der, der die Beute schlägt, sie auch fressen darf.«
»Wie hast du das denn gedeichselt?«
»Na, du weißt ja, dass ich keine schlechte
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