Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Alternative.«
»Waren Sie denn jemals im Weißen Haus tätig?«
»Ja. Ich habe jahrelang hart arbeiten müssen, um dahin versetzt zu werden. Insgesamt war ich zwei Jahre dort. Im ersten Jahr war es noch toll, im zweiten dann schon nicht mehr so sehr. Ich war unentwegt auf Achse, hatte ständig mit den größten Egomanen der Weltgeschichte zu tun und wurde behandelt wie einer, der in der Hierarchie noch zwei Stufen unterhalb vom Gärtner angesiedelt ist. Ganz besonders hatten es mir jene Mitarbeiter des Stabes angetan, die einem wie Zwölfjährige vorkommen, von Tuten und Blasen keine Ahnung haben und uns Sicherheitsleute bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Pfanne hauen wollen. Ironie des Schicksals: Ich war erst ganz kurz vor dem Anschlag auf Ritter vom Weißen Haus zu seiner Wahlkampftruppe versetzt worden.«
»Meine Güte, das klingt ja unheimlich ermutigend, wenn ich bedenke, dass ich auch Jahre meines Lebens vergeblich darauf hingearbeitet habe, ins Weiße Haus zu kommen.«
»Ich will Ihnen gar nicht davon abraten. In der Air Force One mitzufliegen – das ist schon eine großartige Sache. Und wenn dir der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich erklärt, dass er deine Arbeit zu schätzen weiß, dann hört sich das verdammt gut an. Ich sage bloß eines: Schenken Sie dem ganzen Geschwätz, das um diesen Job gemacht wird, keinen Glauben. In vielerlei Hinsicht ist es eine Personenschutzaufgabe wie jede andere auch. Als Ermittler hast du wenigstens ab und zu noch die Möglichkeit, ein paar Ganoven eigenhändig zu verhaften.« King hielt inne und sah zum Fenster hinaus. »Apropos Ermittler: Kürzlich hat sich Joan Dillinger wieder bei mir gemeldet und mir ein Angebot gemacht.«
»Was für ein Angebot?«
»Ich soll ihr helfen, John Bruno zu finden.«
Michelle hätte fast die Kontrolle über ihren Wagen verloren. »Wie bitte?«
»Ihre Firma ist von den Anhängern John Brunos beauftragt worden, den Entführten ausfindig zu machen.«
»Entschuldigen Sie mal, aber weiß sie denn nicht, dass das FBI den Fall an sich gezogen hat?«
»Na und? Die Bruno-Leute können beauftragen, wen sie wollen.«
»Warum sollen ausgerechnet Sie da mitmachen?«
»Joan hat mir das erklärt, aber ich kaufe ihr ihre Begründung nicht so recht ab. Ich weiß es also nicht.«
»Und – machen Sie mit?«
Er sah sie an. »Was meinen Sie? Soll ich?«
Sie streifte ihn mit einem schnellen Blick. »Wieso fragen Sie mich?«
»Sie trauen dieser Frau nicht über den Weg, nicht wahr? Wenn Joan Dillinger bei der Ermordung Ritters ihre Finger im Spiel hatte und nun schon wieder in einen Kriminalfall um einen unabhängigen Präsidentschaftskandidaten verwickelt ist… Das klingt doch sehr interessant, oder? Also: Soll ich oder soll ich nicht, Mick? «
»Spontan würde ich sagen: Nein, tun Sie ’s nicht.«
»Weil ich am Ende der Gelackmeierte sein könnte?«
»Ja, genau.«
»Und wenn Sie Ihre Spontaneität mal beiseite lassen? Wäre Ihr zweiter Gedanke dann nicht viel hinterhältiger und eigennütziger als der erste?«
Sie sah ihn an, bemerkte die Ironie in seiner Miene und lächelte schuldbewusst: »Okay, mein zweiter Gedanke wäre: Ja, tun Sie ’s.«
»Weil ich dann ein Insider wäre und alles, was bei den Ermittlungen herauskommt, brühwarm an Sie weitergeben könnte.«
»Na ja, nicht alles. Wenn Sie und Joan Ihre Affäre wieder aufwärmen sollten, dann interessieren mich die Einzelheiten herzlich wenig.«
»Keine Angst. Schwarze Witwen fressen ihre Männchen auf. Ich bin beim ersten Mal gerade noch davongekommen.«
KAPITEL 26
Von Wrightsburg brauchten sie etwas über zwei Stunden bis zum Haus von Loretta Baldwin. Polizeifahrzeuge waren nirgends zu sehen, doch war die Tür mit dem gelben Absperrband der Polizei versiegelt.
»Da können wir kaum rein«, sagte Michelle.
»Stimmt. Was ist mit Lorettas Sohn?«
Sie kramte die Nummer aus ihrer Handtasche und wählte. Der Sohn meldete sich, und sie vereinbarten ein Treffen in einem Café in der Innenstadt.
Michelle wollte gerade wieder losfahren, als King sie aufhielt.
»Warten Sie mal eben«, sagte er, sprang aus dem Wagen, ging die Straße auf und ab und verschwand hinter dem nächsten Häuserblock aus Michelles Blickfeld. Ein paar Minuten später kam er hinter dem Haus der Verstorbenen wieder zum Vorschein und stieg zu Michelle ins Auto.
»Was sollte das alles?«, wollte sie wissen.
»Nichts. Allerdings weiß ich jetzt, dass Loretta Baldwin ein recht hübsches
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