Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Plätzchen besaß.«
Auf der Fahrt in die Innenstadt fiel ihnen auf, dass an mehreren größeren Straßenkreuzungen Streifenwagen standen. Die Verkehrspolizei überprüfte alle Fahrzeuge samt Insassen aufs Genaueste. Am Himmel über ihnen sahen sie einen Hubschrauber, der immer wieder hin und her flog.
»Was ist denn da schon wieder los?«, fragte Michelle.
King stellte das Autoradio an und suchte einen Lokalsender. Kurze Zeit später erfuhren sie aus den Nachrichten, dass zwei Häftlinge aus einem nahe gelegenen Gefängnis ausgebrochen waren und die Polizei eine Großfahndung nach ihnen eingeleitet hatte.
Sie fanden das Café, und Michelle suchte einen Parkplatz, hielt auch schon, besann sich dann aber plötzlich eines anderen.
»Was ist los?«, fragte King.
Sie deutete in eine Nebenstraße, in der zwei Streifenwagen der Stadtpolizei standen. »Ich glaube nicht, dass die nach den Ausbrechern suchen«, sagte sie. »Die wollen vielmehr uns eine Falle stellen.«
»Na schön, dann rufen Sie eben diesen Sohn noch einmal an. Sagen Sie ihm, dass Sie mit dem Mord an seiner Mutter nichts zu tun haben. Wenn er reden will, kann er das auch am Telefon.«
Michelle seufzte und fuhr weiter, bis sie einen halbwegs abgeschiedenen Platz fand. Dort fuhr sie rechts ran, rief Lorettas Sohn an und sagte ihm, was King ihr geraten hatte. »Ich will nur eines wissen: Wie wurde Ihre Mutter umgebracht?«
»Warum soll ich Ihnen das erzählen?«, erwiderte der Sohn. »Sie haben meine Mama besucht – und als Nächstes erfahre ich, dass sie nicht mehr am Leben ist.«
»Wenn ich vorgehabt hätte, Loretta zu ermorden, dann hätte ich bestimmt nicht meinen Namen und meine Telefonnummer bei ihr herumliegen lassen, oder?«
»Das kann ich doch nicht wissen. Vielleicht stehen Sie auf irgendwelche Abartigkeiten.«
»Ich habe Ihre Mutter besucht, um mich mit ihr über den Mordfall Ritter von vor acht Jahren zu unterhalten. Sie hat mir gesagt, dass sie nur sehr wenig darüber weiß.«
»Warum wollten Sie das denn wissen?«
»Aus historischen Gründen. Sind die Bullen eigentlich gerade bei Ihnen?«
»Welche Bullen?«
»Hören Sie auf, mich verscheißern zu wollen! Sind sie da oder nicht? Ja oder nein!«
»Nein.«
»Okay, dann gehe ich einfach mal davon aus, dass Sie mich anlügen. Ich sage Ihnen jetzt, was ich von der Sache halte: Ich glaube, mein Gespräch mit Ihrer Mutter über das Attentat auf Ritter hat vielleicht jemand anderen auf die Idee gebracht, sie umzubringen.«
»Wegen Ritter? Das ist doch Blödsinn! Der Mann, der das damals getan hat, wurde doch erschossen.«
»Woher wollen Sie wissen, dass er allein gehandelt hat?«
»Woher, zum Teufel, soll ich das denn wissen?«
»Genau. Also, noch einmal: Wie ist Ihre Mutter getötet worden?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
Michelle beschloss, es mit einer anderen Strategie zu versuchen. »Hören Sie, ich habe Ihre Mutter ja nur kurz kennen gelernt. Aber sie war mir sehr sympathisch. Sie machte keine großen Umstände und sagte gerade heraus, was sie dachte. So eine Haltung nötigt mir Respekt ab. Ihre Mutter war eine außerordentlich lebenskluge Frau, auch wenn sie das unter einer ziemlich harten Schale verbarg.«
»Da haben Sie Recht«, sagte der Sohn, »und jetzt fahren Sie zur Hölle.« Er legte auf.
»Verdammt«, sagte Michelle. »Ich dachte schon, ich hätte ihn so weit.«
»Haben Sie auch. Er wird zurückrufen. Geben Sie ihm nur ein bisschen Zeit, bis er die Bullen los ist.«
»Sean, er hat mich gerade zur Hölle geschickt.«
»Er ist eben nicht gerade die Feinfühligkeit in Person. Ein Kerl halt. Mit uns muss man ein wenig Geduld haben. Wir können nicht drei Dinge auf einmal tun wie ihr Frauen. Bei uns muss immer schön eines nach dem anderen kommen.«
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, dann klingelte Michelles Handy erneut.
Sie warf King einen Blick zu. »Wie konnten Sie das so genau wissen?«
»Wir Kerle fliegen nun mal auf eine gute Telefonstimme. Außerdem haben Sie genau das Richtige über seine Mutter gesagt – und auf unsere Mamis lassen wir nichts kommen.«
»Okay«, sagte Lorettas Sohn am Telefon. »Man hat sie in ihrer Badewanne gefunden. Sie wurde ertränkt.«
»Ertränkt? Woher weiß man, dass es kein Unfall war? Vielleicht hatte sie ja einen Herzinfarkt?«
»Jemand hat ihr den Mund mit Geld voll gestopft, und das Haus ist von oben bis unten durchwühlt worden. Das sieht für mich nicht nach einem Unfall aus, verdammt noch
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