Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
einer Spritztour auf dem See?«
»Für Wassersport bin ich immer zu haben.«
»Im Gästezimmer liegen verschiedene Badeanzüge rum.«
»Merk dir eines, Sean, was mich betrifft: Ohne meine Sportsachen gehe ich nirgendwohin.«
King lenkte die große rote Sea-Doo 4TEC, die aussah wie ein Motorrad, und Michelle saß hinter ihm, die Arme um seine Taille geschlungen. Sie fuhren etwa fünf Kilometer weit hinaus, dann warf King im seichten Wasser einer Bucht einen kleinen Anker. Sie saßen auf der Sea-Doo, und King blickte in die Runde.
»Noch sechs Wochen oder so, und die Farben hier sind echt sehenswert«, meinte er. »Außerdem gefällt es mir, wenn die Sonne hinter den Bergen untergeht. Das sieht toll aus.«
»Okay, dann wird’s jetzt aber Zeit, dass ich mir dieses Festmahl wieder abstrampele.« Michelle zog ihre Schwimmweste aus, Trainingsjacke und Trainingshose folgten. Darunter trug sie knallrote Lycra-Shorts und ein dazu passendes Workout-Top.
King ertappte sich dabei, wie er Michelle offenen Mundes anstarrte. Der wundervolle Bergblick hatte plötzlich seine Faszination verloren.
»Probleme?«, fragte Michelle mit einem Seitenblick.
»Ich doch nicht«, erwiderte er und wandte rasch den Blick ab.
»Wer zuletzt drin ist…« Sie tauchte ins Wasser und wieder auf. »Willst du nicht auch reinkommen?«
Er zog sich aus, sprang ins Wasser und tauchte neben Michelle wieder auf.
Sie spähte zum Ufer. »Was glaubst du, wie weit es ist?«
»Hundert Meter vielleicht. Warum?«
»Ich überlege, ob ich nicht mal bei einem Triathlon mitmache.«
»Mein Gott – warum überrascht mich das eigentlich schon gar nicht mehr?«
»Schwimmen wir um die Wette«, schlug sie vor.
»Kein Problem für mich.«
»Ganz schön macho, was?«
»Nein, ich meine, es ist kein Problem für mich, dass du mühelos gewinnen wirst.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du bist Olympiateilnehmerin, und ich bin ein Rechtsanwalt mittleren Alters mit steifen Knien und einem gestutzten Flügel, weil ich im Dienst für die Allgemeinheit mal angeschossen wurde. Du wirst dir vorkommen, als würdest du mit deiner eigenen Großmutter, der man noch Bleigewichte an die Füße gebunden hat, um die Wette schwimmen.«
»Das werden wir ja sehen. Du könntest am Ende über deine eigene Leistung staunen. Drei – zwei – eins – los!« Sie zog davon. Ihre Armschläge schnitten sauber durch das warme, flache Wasser.
King schwamm ihr nach und holte sie erstaunlich leicht ein. Kurz vor dem Ufer schwammen sie sogar Seite an Seite, und Michelle lachte, als er spielerisch nach ihrem Bein fasste. Sie erreichten das Ufer gleichzeitig. King legte sich auf den Rücken und rang nach Luft, als reiche die gesamte Atmosphäre nicht zur Stillung seines Bedarfs.
»Okay, ich staune über meine eigene Leistung«, keuchte er. Als er den Kopf drehte und Michelle ansah, ging ihm ein Licht auf. Sie atmete nicht einmal schneller.
»Du Mistbiene hast dich überhaupt nicht angestrengt!«
»Doch, doch… Aber ich musste natürlich auf den Altersunterschied und dergleichen Rücksicht nehmen.«
»Okay, das reicht…«
Er sprang auf und rannte, als sie kreischend davonlief, hinter ihr her. Michelle musste so sehr lachen, dass King sie mühelos einholte. Er packte sie, schwang sie über seine Schulter, watete mit ihr in den See, bis ihm das Wasser bis zur Taille reichte, und tauchte sie feierlich unter. Spuckend und noch immer lachend tauchte sie wieder auf.
»Und was sollte das jetzt?«
»Dir zeigen, dass ich zwar schon über vierzig bin, aber noch lange kein toter Mann.«
Am Anleger ließ King die Sea-Doo von der Hebebühne aus dem Wasser liften und fragte Michelle: »Wie bist du eigentlich vom Basketball und Laufen aufs olympische Rudern gekommen?«
»Laufen gefiel mir besser als Basketball, aber dabei hat mir das mannschaftliche Element gefehlt. Einer meiner Freunde am College war Ruderer; durch ihn bin ich dazu gekommen. Offenbar hab ich ein natürliches Talent für diesen Sport. Auf dem Wasser ging mir nie die Kraft aus, da war ich wie eine Maschine. Und das Hochgefühl, das dich überkommt, wenn du alles, was in dir steckt, in diese Riemen legst, das war schon unvergleichlich. Ich war die Jüngste in unserem Team. Als ich anfing, hat mir kaum einer was zugetraut, aber denen hab ich, glaub ich, das Gegenteil bewiesen.«
»Das hast du meines Erachtens immer wieder getan. Vor allem dann auch im Secret Service.«
»War auch kein Zuckerschlecken.«
»Ich hab keine
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