Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
ist.«
»Klingt ein bisschen nach Peyton Place«, sagte Michelle.
»Das haben wir schon lange hinter uns«, sagte Harry. »Wir nähern uns eher den Zuständen in Twin Peaks.«
»Und jetzt reden wir über Junior«, sagte King.
Harry stellte seine Teetasse ab und holte sich eine Akte vom Schreibtisch. »Junior hatte verschiedene Bauarbeiten für die Battles erledigt, insbesondere im Ankleideraum neben Remmys Schlafzimmer. Junior ist ein tüchtiger Bursche. Er hat auch hier für mich einiges getan, und für viele andere Leute in der Gegend.«
»Und was wirft man ihm vor?«, fragte King.
»Einbruchdiebstahl. In Remmys Ankleidezimmer gibt es einen versteckten Wandschrank, in dem sie ihren Schmuck, Bargeld und andere Wertgegenstände aufbewahrt. Er wurde aufgebrochen und ausgeräumt. Auch in Bobbys Ankleidezimmer gab es ein Geheimfach. Es wurde ebenfalls ausgeraubt. Der Schaden beträgt etwa zweihunderttausend Dollar, wie ich hörte. Bedauerlicherweise befindet sich unter den geraubten Gegenständen auch Remmys Ehering.« Harry blätterte in der Akte. »Was ist die Hölle gegen den Zorn einer Frau, die ihres Eherings verlustig ging?«, fügte er hinzu.
»Und nun wird Junior verdächtigt, weil er dort gearbeitet hat?«, fragte Michelle.
»Es gibt gewisse Hinweise, die ihn mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen scheinen.«
»Zum Beispiel?«, fragte King.
Harry zählte die Punkte an den Fingern ab. »Der Einbrecher ist durch ein Fenster im dritten Stock eingestiegen. Das Fenster wurde aufgebrochen, und man hat Werkzeugspuren sowie einen Metallsplitter gefunden, der zu einem Brecheisen passt, das Junior gehört. Außerdem besitzt er eine Leiter, die lang genug ist, um an das Fenster heranzukommen. Und man hat Glasscherben im Aufschlag seiner Hose gefunden. Sie lassen sich nicht eindeutig dem Glas zuordnen, aus dem das Fenster der Battles besteht, aber die Beschaffenheit ist sehr ähnlich. Beide Glassorten sind gefärbt.«
»Sie sagten, das Fenster wurde aufgebrochen. Woher kamen dann die Glassplitter?«, fragte King.
»Ein Teil des Fensters ist beim Aufbrechen zersplittert. Wahrscheinlich nimmt die Polizei an, dass die Splitter an Juniors Hose kamen, als er durch die Fensteröffnung stieg. Außerdem wurden Schuhabdrücke auf dem Holzfußboden in Remmys Schlafzimmer entdeckt. Sie passen zu einem Paar Stiefel, das bei Junior gefunden wurde. Auf dem Fußboden in Remmys Ankleidezimmer waren Spuren von Rigips-Pulver, Zement, Sägespänen – all das, was ein Mann wie Junior an Kleidung und Schuhen haben müsste, wegen seines Jobs. Und es wurde etwas Erde gefunden, die vom Boden vor Juniors Haus stammen könnte. Ähnliche Spuren gab es in Bobbys Schlaf- und Ankleidezimmer.«
»Die beiden schlafen getrennt?«, fragte Michelle.
Harry hob eine buschige Augenbraue. »Ich bin überzeugt, dass Remmy es vorziehen würde, wenn Sie diese Information vertraulich behandeln.«
»Nun, das alles sind belastende Fakten«, sagte King, »aber letztlich nur Indizien.«
»Es gibt da noch ein weiteres Beweisstück. Beziehungsweise zwei Stücke. Ein Handschuhabdruck und ein Fingerabdruck, der von Junior stammt.«
»Ein Handschuhabdruck?«, fragte Michelle.
»Es war ein Lederhandschuh«, erwiderte Harry, »und die haben individuelle Linienmuster, ähnlich wie bei einem Fingerabdruck. Hat man mir zumindest so erklärt.«
»Wenn Junior Handschuhe getragen hat, wie kann er dann einen Fingerabdruck hinterlassen haben?«, fragte King.
»Offenbar war ein Loch in einem der Finger. Und genau einen solchen Handschuh besitzt Junior.«
King sah Harry an. »Was sagt Junior selbst dazu?«
»Er beteuert energisch seine Unschuld. Er hat drüben in Albemarle County bis in die frühen Morgenstunden am neuen Haus für seine Familie gearbeitet. Leider hat er niemanden gesehen, und niemand hat ihn gesehen. Also hat er kein Alibi.«
»Wann wurde der Einbruch entdeckt?«, fragte King.
»Gegen fünf Uhr morgens, als Remmy vom Krankenhaus zurückkam. Sie war am Vorabend bis acht Uhr in ihrem Schlafzimmer, und bis gegen elf waren Leute im Haus. Also wurde der Einbruch wahrscheinlich zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens verübt.«
»In der Zeit, als Junior allein an seinem Haus gearbeitet haben will«, murmelte King.
»Trotz allem halten Sie ihn für unschuldig, nicht wahr?«, sagte Michelle.
Harry erwiderte ihren Blick. »Ich habe schon mehrere Mandanten vertreten, die schuldig waren. Das gehört zu meinem Job. Als Richter habe ich erlebt,
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