Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
ätzend.
»Wie Sie meinen. Dann wollen wir noch einmal durchgehen, was Sie gesagt haben. Das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Sohn lässt sich als offene Feindseligkeit beschreiben. Sie waren möglicherweise wütend, weil er sich mit einer ›Schlampe‹ traf, wie Sie es ausgedrückt haben, und Sie haben sich Sorgen gemacht, dass Sie möglicherweise irgendwann für ein Kind zahlen müssen. Dann wurden Steve und die ›Schlampe‹ mit einer Schrotladung getötet. Besitzen Sie eine Schrotflinte?«
Canney stand auf. Sein blasses Gesicht war plötzlich rot. »Was wollen Sie damit andeuten? Wie können Sie es wagen? Sie haben mir die Worte im Mund verdreht!«
King blieb völlig ruhig. »Nein. Ich habe Ihre Aussage lediglich so interpretiert, wie es jeder halbwegs kompetente Staatsanwalt tun würde. Was Sie uns erzählt haben, macht Sie zu einem Verdächtigen. Ich bin sicher, dass man Sie bereits gefragt hat, wo Sie waren, als Ihr Sohn ermordet wurde. Ich möchte, dass Sie es auch uns sagen.«
»Ich war zu Hause und habe geschlafen.«
»Allein?«
»Ja!«
»Also haben Sie kein Alibi«, erklärte King. »Nun…« Er sah Michelle an. »Wir werden jetzt zurückfahren und Bericht erstatten. Das ist zumindest ein Hinweis, den das FBI gezielt weiterverfolgen kann.« Er wandte sich wieder Canney zu. »Die Kollegen werden sich in Kürze bei Ihnen melden. Bitte bleiben Sie während der nächsten Zeit in der näheren Umgebung.« Er erhob sich.
Canney war wieder blass geworden. »Warten Sie! Einen Moment! Einen Moment noch! Ich habe nichts mit dem Mord an Steve zu tun.«
»Bei allem gebührenden Respekt, Mr Canney, aber ich bin noch nie einem Mörder begegnet, der etwas anderes behauptet hat«, erwiderte King.
Canney stand da und ballte immer wieder die Hände zu Fäusten, während King ihn erwartungsvoll beobachtete. Schließlich setzte der Mann sich wieder.
Er schwieg eine Weile, als müsste er zuerst nach den richtigen Worten suchen; dann sagte er: »Steve war schlicht und einfach das Kind seiner Mutter. Er hat sie bewundert, sie angebetet. Als sie starb, hat er irgendwie mir die Schuld an ihrem Tod gegeben.«
»Ich erinnere mich nicht, wie sie gestorben ist«, sagte King.
Canney rieb sich nervös die Hände.
»Bei einem Verkehrsunfall. Das ist jetzt über drei Jahre her. Sie fuhr von der Straße in eine Schlucht und war auf der Stelle tot.«
»Wie konnte Ihr Sohn Sie dafür verantwortlich machen?«, fragte Michelle.
»Woher soll ich das wissen?«, brüllte Canney unvermittelt, doch genauso schnell hatte er sich wieder beruhigt. »Tut mir Leid. Sie können sich vielleicht denken, dass das alles nicht einfach für mich ist.« Alle schwiegen eine Zeit lang. »Offenbar war Alkohol im Spiel«, sagte Canney schließlich leise.
»Ihre Frau war betrunken, als sie starb?«
»Es scheint so. Das war ungewöhnlich, weil sie ansonsten kaum getrunken hat.«
»Und Ihre Ehe war glücklich?«, fragte Michelle.
»Es war eine Ehe wie viele andere«, sagte Canney abwehrend.
»Und das bedeutet?«, hakte Michelle nach.
»Das bedeutet, dass sie ihre Höhen und Tiefen hatte.«
In diesem Moment betrat die Haushälterin das Zimmer und teilte Canney mit, dass er am Telefon verlangt wurde. Er entschuldigte sich und ging hinaus.
Michelle wandte sich ihrem Partner zu. »Das war nicht unbedingt das, was ich erwartet habe. Ob er irgendwie für den Tod seiner Frau verantwortlich ist?«
»Das würde ich nicht ausschließen.«
»Er verschweigt uns etwas. Glaubst du, dass er seinen Sohn getötet hat?«
»Sohn. Das ist ein interessantes Wort.«
Sie blickte ihn verwirrt an. »Wie meinst du das?«
»Canney hat ihn kein einziges Mal als seinen Sohn bezeichnet. Er hat immer nur von Steve geredet.«
»Stimmt. Obwohl es daran liegen könnte, dass Steve fast erwachsen war und ihr Verhältnis ziemlich angespannt gewesen ist.«
»Nein. Ich glaube, er hat uns die Frage bereits beantwortet.«
»Ach? Dann sag es mir bitte!«
»Als er erzählt hat, was in ihrem Verhältnis nicht stimmt, sagte er, dass Steve ihm die Schuld am Tod seiner Mutter gegeben hat.«
»Und?«
»Nun, unmittelbar davor hat er gesagt…« King zog sein Notizbuch hervor und las vor: »›Steve war schlicht und einfach das Kind seiner Mutter.‹«
»Der Junge hatte ein besseres Verhältnis zu seiner Mutter als zum Vater.«
»Es lässt sich auch wörtlicher verstehen. Dass sie zwar seine Mutter war…« King sprach nicht weiter, sondern sah Michelle an.
Nun dämmerte
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