Sean King 03 - Im Takt des Todes
versteckten sie in einer Tasche. Dann gingen sie zum Herrenhaus und erklärten dem Wachmann dort, sie wollten Horatio abholen. »Wir verlassen das Gelände, wie Champ gesagt hat.«
Der Wachmann ließ sie durch, und Michelle und Sean liefen in den obersten Stock hinauf und den Gang zu dem Zimmer hinunter, in dem Sean zuerst gewohnt hatte. Dann traten sie bis vor die Wand, hinter der Viggie den Geheimraum errechnet hatte – falls er existierte.
»Irgendwo muss eine Tür sein«, sagte Sean, »aber wir haben keine Zeit, sie zu suchen.« Sie machten sich mit den Werkzeugen an der Wand zu schaffen und brachen methodisch ein großes Loch hinein. Sean nahm eine Taschenlampe und spähte hinein. »Verdammt!«
»Was ist?«
»Du wirst schon sehen«, antwortete er. »Beeil dich!«
Mit neuerlichem Eifer machten sie sich wieder ans Werk. Kurz darauf traten sie durch ein großes Loch und schauten auf Wände voller elektronischer Geräte. An einer Wand schien eine Tür zu sein. Sean deutete darauf. »Man kommt durch das andere Zimmer hinein, durch das verschlossene.«
An einer Wand war eine Reihe von Monitoren angebracht, die das Innere der Baracken zeigten.
»Das ist Baracke eins«, sagte Sean und deutete auf einen der Bildschirme.
»Und Champs Baracke zwei«, ergänzte Michelle.
Sie winkte Sean zu den Computermonitoren an der anderen Wand. Zahlenkolonnen liefen über die Bildschirme.
»Sie zeichnen im Geheimen die Daten von den Computern in Champs Baracke auf!« Sean schnappte erstaunt nach Luft.
»Dann hatte Len Rivest also recht. Es gibt einen Spion in Babbage Town – einen elektronischen Spion«, sagte Michelle. Sie schaute zu einem rot blinkenden Gerät an der Wand. »Verdammt! Ist es das, was ich glaube?«, rief sie.
Beide sprangen durch das Loch und rannten zur Treppe, während der stumme Alarm weiter blinkte.
»Was ist mit Horatio?«, rief Michelle.
Sean machte kehrt, lief den anderen Gang hinunter und hämmerte gegen Horatios Tür. Als der Psychiater öffnete, packte Sean ihn und zerrte ihn den Flur hinunter, wo Michelle auf sie wartete.
»Warum laufen wir so schnell?«, keuchte Horatio.
»Um dem Tod zu entgehen!«, stieß Michelle hervor.
Nach diesen Worten legte der kleine Psychiater einen bemerkenswerten Zahn zu.
»Wie kommen wir hier raus?«, fragte Michelle. »Das Haupttor ist bewacht.«
»Mit dem Boot«, antwortete Sean. »Kommt schon!«
Rasch machten die drei sich auf den Weg zum Bootshaus, wobei sie nur zwei Wachleute sahen, die jedoch beide nichts vom Einbruch in den Geheimraum zu wissen schienen.
»Woher wissen wir überhaupt, ob der stille Alarm funktioniert hat?«, fragte Michelle.
»Sollen wir nicht Sheriff Hayes anrufen?«, schlug Horatio vor.
»Im Augenblick traue ich keinem mehr«, erwiderte Sean entschlossen.
Sie erreichten das Bootshaus. Sean brach den Lagerschuppen auf, schnappte sich die Schlüssel für das Powerboot, und kurz darauf fuhren sie ohne Beleuchtung langsam den Fluss hinunter.
»Haltet die Augen auf«, warnte Sean.
Michelle wirkte verwirrt.
»Was ist?«, fragte Sean und schaute vom Ruder zu ihr.
»Warum ist Viggie zum Bootshaus gegangen, hat sich ein Kanu geschnappt und ist auf den Fluss hinaus gepaddelt?«
»Ich dachte, sie hätte dir nicht gesagt, warum.«
»Wir waren mal zusammen hier und sind gemeinsam mit dem Kanu gefahren. Viggie sagte, es sei eines der schönsten Erlebnisse gewesen, das sie je gehabt hat. Dann haben wir eine Wette abgeschlossen und ein Rennen zum Haus gemacht: Wenn ich sie schlage, hat sie gesagt, würde sie mit mir über ›Codes und Blut‹ reden. Ich habe gewonnen. Viggie war sauer und hat wie wild dieses Lied gespielt – aber sie hat es gespielt.«
»Und?«
»Und warum ist sie wieder zum Fluss zurück?«, fragte Michelle erneut. »Warum glaube ich, dass sie mir etwas sagen wollte? Dass sie wollte, dass ich zur Anlegestelle komme?« Michelle schaute übers Wasser nach Camp Peary. »Und da ist noch etwas Seltsames: Viggie hat mir aus heiterem Himmel diese Geschichte erzählt.«
»Was für eine Geschichte?«
»Dass sie wusste, dass Alan Turing sich mit einem vergifteten Apfel umgebracht hat. Viggie hat mir gesagt, dass es sie an die Geschichte von Schneewittchen erinnere. Schneewittchen wäre auch fast gestorben – so wie Viggie im Fluss. Und dann sagte sie noch, wer immer den Apfel hat, sei sehr mächtig. Warum sollte sie mir so etwas sagen?«
»Ich weiß es nicht. Aber wie hilft uns das weiter?«, entgegnete Sean.
Michelle
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