Sean King 03 - Im Takt des Todes
genug war, einen Berg Gold zu verstecken, sodass niemand ihn finden kann.«
Michelle sagte: »Camp Peary ist Tausende von Morgen groß. Vermutlich gibt es Flecken, die bis heute weder Navy noch CIA erkundet haben.«
Freeman schaute sie zweifelnd an. »Falls ja, kommt da heute ohnehin niemand mehr hin. Wenn die CIA das Gold also nicht findet, wird es nie entdeckt.« Er blickte zu Sean, der sich irgendetwas an der Wand anschaute. »Und? Habe ich recht?«
Seans Blick war auf ein Stück Papier an der Wand gerichtet.
Michelle schaute besorgt drein. »Sean, was ist?«
Sean fuhr herum. »South, diese Liste von Orten in Virginia, die nicht mehr existieren, diese Liste, die Sie mir gezeigt haben, ist die akkurat? Sind Sie sicher?«
Freeman stand auf und ging zu ihm. »Natürlich bin ich sicher. Diese Liste kommt direkt aus Richmond. Sie ist offiziell.«
»Verdammt, das ist es!«, rief Sean.
»Was ist was?«, fragte Horatio.
Als Antwort stieß Sean mit dem Finger auf einen Namen auf der Liste. »Es gab eine County in Virginia mit Namen Dunmore .«
»Jep«, sagte Freeman schadenfroh. »Nur, nachdem sie den Bastard rausgeworfen haben, haben sie den Namen geändert. Jetzt heißt es Shenandoah County. Ziemlich hübsch da.«
Sean stürmte hinaus, und die anderen folgten ihm. Es waren nicht die verdammten Noten oder der Text. Es war der Titel des Liedes: Shenandoah. Das war der Schlüssel.
Freeman lief zur Tür und rief ihnen hinterher: »Was ist denn so wichtig an Shenandoah County?« Er schwieg und brüllte dann: »Vergessen Sie unsere Abmachung nicht! Ich will den verdammten Pulitzerpreis!«
78.
I n der darauffolgenden Nacht kroch das Boot mit weniger als fünf Knoten über den Fluss; die Geschwindigkeit reichte gerade so eben, um das Fahrzeug steuern zu können. Die Lichter brannten, und eine einsame Gestalt stand am Ruder. Horatio Barnes schloss den Reißverschluss seiner Windjacke, als eine Bö des nahenden Tiefs die Luft abkühlte. Ein Stück Treibholz glitt an dem Powerboot vorbei. Horatio fuhr schon seit Jahrzehnten Boot in der Chesapeake Bay; somit war der York, selbst bei Nacht, keine Herausforderung für ihn.
Als er an seinem Kaffee nippte, wusste Horatio, dass er heute Nacht den leichten Job hatte; schließlich musste er nur ein wenig über den Fluss schippern. Aber ohne Zweifel beobachteten ihn sowohl menschliche als auch mechanische Augen. Doch das hier war ein öffentliches Gewässer, und solange er dem anderen Ufer nicht zu nahe kam, konnte die CIA nichts tun, um ihn aufzuhalten.
Dann erinnerte sich Horatio daran, dass irgendjemand auf Sean geschossen hatte, und da war Sean auf Privatbesitz gewesen. Sofort ließ Horatio sich auf seinen Stuhl fallen und duckte sich nach vorn. Er musste dem Bastard ja nicht unbedingt ein großes Ziel bieten. Dann kehrten seine Gedanken zum Schicksal der beiden Menschen zurück, an denen inzwischen sein Herz hing. »Passt auf euch auf«, sagte er in den kalten Wind hinein. Dann schaute er zum Himmel. »Und falls wir geschnappt werden sollten, dann, o Gott, lass uns nicht in ein Hochsicherheitsgefängnis kommen.«
Am Ufer, das Camp Peary gegenüber lag, hatten Sean und Michelle ihre Taucheranzüge angelegt und überprüften ihre Ausrüstung.
Sean atmete tief durch. »Keine Fehler, Michelle. Eine falsche Bewegung da drüben, und wir sind tot.«
Sie erwiderte nichts.
Sean schaute sie an. »Bist du bereit?«
Jedes Mal, wenn Michelle diese Frage in ihrem bisherigen Leben gehört hatte, war die Antwort ein sofortiges Ja gewesen. Nun aber zögerte sie. Die Bilder, die plötzlich in ihrem Kopf erschienen, waren mächtig, und sie alle deuteten auf eine potenzielle Katastrophe hin. Sie sah sich selbst, wie sie plötzlich erstarrte oder einem selbstmörderischen Impuls folgte, der sie das Leben kosten würde. Aber weit schrecklicher war noch das Bild von Sean King, wie er tot auf dem Boden lag, nur weil sie versagt hatte.
»Michelle?« Sean berührte sie am Arm, sie zuckte unwillkürlich zusammen. »Alles okay?«
Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen und begann zu zittern.
»Michelle, was ist?«
»Ich … Ich kann das nicht, Sean«, sagte sie. »Es tut mir schrecklich leid, aber ich kann dich nicht begleiten. Ich weiß, dass du mich für den größten Feigling der Welt halten musst, aber es ist …« Sie konnte den Satz nicht beenden.
»Hör auf damit«, sagte Sean mit fester Stimme. »Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne. Und es ist meine Schuld. Von Anfang an
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