Sean King 03 - Im Takt des Todes
hinauf. »Ich bin sicher, Emily Post und ihre Brut würden jemandem, der sein künstliches Bein einem völlig Fremden zeigt, die Pest an den Hals wünschen – aber das ist mir egal. Ich nehme an, Mrs. Post musste auch nie den ganzen Tag mit so einem Ding herumlaufen. Trotz allen technischen Fortschritts tun diese Prothesen höllisch weh.«
»Wie ist das passiert?«, fragte Sean, während Alicia drei Ibuprofen mit einem Glas Wasser herunterspülte. »Tut mir leid«, fügte er rasch hinzu. »Vermutlich wollen Sie nicht darüber reden.«
»Schon gut. Ich mag keine Zeitverschwendung, und ich kann selbst sehr offen und direkt sein. Ich bin ausgebildete Mathematikerin, aber Linguistin aus Leidenschaft. Mein Vater war beim Außenministerium, und als ich jung war, sind wir viel durch den Nahen Osten gereist. Deshalb spreche ich Arabisch, Farsi und noch ein paar Dialekte, die die Regierung als wertvoll eingestuft hat. Vor vier Jahren habe ich mich freiwillig als Dolmetscherin für das Außenministerium in den Irak gemeldet. Zwei Jahre lang ist alles gut gelaufen, bis ich mit einem Humvee in der Nähe von Mosul auf eine Mine gefahren bin. Als ich eine Woche später in Deutschland wieder zu Bewusstsein kam, hatte ich zwar nur sieben Tage meines Lebens, aber auch den größten Teil meines rechten Beins verloren. Nur zwei Leute haben die Explosion überlebt – ich und der Mann, der mich aus dem Wrack gezogen und gerettet hat. Man hat mir erzählt, von dem Fahrer neben mir sei nur der Torso übrig geblieben. Tja, die Flugbahn von Schrapnells in geschlossenen Räumen kann man nicht genau berechnen. Wie auch immer, mein Land hat mich in die Reha geschickt und mich mit diesem wunderbaren Ausrüstungsteil versehen.« Sie klopfte auf ihr künstliches Bein.
»Tut mir leid«, sagte Sean noch einmal. Insgeheim staunte er über Alicias Fähigkeit, so leidenschaftslos über dies alles reden zu können.
Alicia lehnte sich im Stuhl zurück und musterte ihn aufmerksam. »Ich habe noch immer keine Ahnung, warum man Sie hierhergeholt hat.«
»Es gab einen mysteriösen Todesfall, und ich bin Detektiv.«
»So viel ist mir schon klar. Hier waren genug Polizisten, um sogar Jack the Ripper das Fürchten zu lehren. Aber das waren alles Beamte. Sie sind keiner.«
»Und was genau wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass man Sie nicht wirklich kontrollieren kann, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht. Was meinen Sie?« Alicia gab keine Antwort; also fuhr Sean fort: »Sie haben erwähnt, dass Sie mir ein paar Dinge sagen wollen.«
»Das war eines dieser Dinge.«
»Okay, wer sind diese Leute überhaupt? Ich meine, wer sind die Eigentümer von Babbage Town? Niemand hier scheint es mir sagen zu wollen, oder vielleicht weiß auch niemand etwas. Wie die Antwort auch lautet – beides finde ich sehr bemerkenswert.«
»Ich fürchte, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen.«
»Hat das FBI mit Ihnen gesprochen?«
»Ja«, sagte Alicia. »Ein Mann namens Michael Ventris. Ein humorloser Kerl, aber sehr effektiv.«
»Gut zu wissen. Was halten Sie von Champ Pollion? Lassen Sie mich raten: Er war Jahrgangsbester an der Uni. Wo hat er studiert? Am MIT , nicht wahr?«
»Nein. Er war der Zweitbeste seines Jahrgangs, und er hat am Indiana Institute of Technology studiert, das bei vielen Fachleuten ein noch weit größeres Prestige genießt als das MIT .«
»Was mit Monk passiert ist, scheint ihn ziemlich nervös zu machen.«
»Er ist Wissenschaftler. Was weiß er schon über gewaltsamen Tod und Mordermittlungen? Ich habe im Irak genug Blut für tausend Jahre gesehen, doch selbst mich macht nervös, was mit Monk geschehen ist. Im Irak wusste man wenigstens, wer versucht hat, einen umzubringen. Hier nicht.«
»Dann glauben Sie also, dass Monk ermordet wurde?«
»Ich weiß es nicht. Das macht es ja so beunruhigend.«
»Ist er von der CIA gefunden worden?«
»Ja. Aber falls die CIA irgendetwas mit seinem Tod zu tun hat – glauben Sie, die hätten seine Leiche dann einfach liegen lassen? Sie hätten ihn doch einfach in den York River werfen können.«
»Was ist Ihre Rolle in Babbage Town?«, wechselte Sean das Thema. »Wie ich sehe, sind Sie keine gewöhnliche Bewohnerin.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ihr Haus ist größer als die anderen Bungalows.«
»Ich bin Abteilungsleiterin. Champ lebt auf der anderen Seite des Herrenhauses, nahe Baracke eins.«
»Und was wird in Baracke eins gemacht?«
»Das ist meine Abteilung. Champ
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