Sean King 03 - Im Takt des Todes
Theorien?«
»Jedenfalls keine, über die sie mit uns reden würden.«
»Gab es keine Sicherheitsprobleme mit Turing? Keine Fremden, die hier herumhingen?«
Der Wachmann schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen.«
»Turing ist mit seiner eigenen Waffe getötet worden. Haben Sie gewusst, dass er eine Pistole besitzt?«
»Soviel ich weiß, sind hier nur die Wachen bewaffnet.«
Als Sean die Straße hinunterging, sah er die Bungalowreihen weiter vorne. Der erste Bungalow war dunkel, während im zweiten – Monk Turings Haus – ein Licht im Fenster brannte. Die Häuser waren geräumig und schmuck, die kleinen Rasenflächen gut gepflegt, die Gartenzäune sauber gestrichen. Töpfe mit bunten Blumen standen auf den Treppenstufen, die zu den Hauseingängen führten. Es sah beinahe so aus wie auf einer Kitschpostkarte.
Sean hörte, dass im Innern von Monks Haus jemand Klavier spielte. Er öffnete das Gartentor, ging zur Veranda und betrachtete dabei die Sportausrüstung, die unordentlich auf einer kleinen Bank lag: ein paar Golfschläger, ein Basketball, ein Baseball, ein Baseballhandschuh. Sean nahm den Handschuh; er roch nach gut geöltem Leder. Vermutlich hatte Turing sich nach der Kopfarbeit beim Sport entspannt.
Sean spähte durch das Mückenschutzgitter. Eine rundliche Frau im Bademantel und mit Slippern an den Füßen schlief auf der Couch. Von einer Wache war nirgends etwas zu sehen. In der anderen Ecke des Raums stand ein Stutzflügel, an dem ein junges Mädchen spielte. Sie hatte langes weißblondes Haar und blasse Haut. Während Sean dort stand, wechselte sie, ohne den Takt zu verlieren, von etwas Klassischem – Rachmaninoff, glaubte Sean – zu einem Stück von Alicia Keys, das er kannte.
Viggie Turing hob den Kopf und sah ihn. Sie war nicht erschrocken, hörte nicht einmal zu spielen auf.
»Was machen Sie hier?«
Die Stimme überraschte Sean, denn sie erklang in seinem Rücken. Er drehte sich um und sah die Frau dicht vor sich.
Er hielt ihr seinen Ausweis hin. »Ich bin Sean King. Ich bin hier, um den Tod von Monk Turing zu untersuchen.«
»Das weiß ich«, sagte die Frau gereizt. »Aber was tun Sie hier an diesem Haus? Um diese Uhrzeit?«
Die Frau war Mitte dreißig und mittelgroß. Ihr rotes Haar war kurz geschnitten und gescheitelt. Das Türlicht brannte, sodass Sean die Sommersprossen auf ihrer Haut und das milchige Grün ihrer Augen erkennen konnte. Sie trug Jeans, schwarze Mokassins und ein Kordhemd. Die Lippen waren zu voll für das schmale Gesicht, die Schultern ein wenig zu breit für ihren mageren Körper, die Nase ein wenig zu groß und das Kinn zu spitz für den breiten Kiefer. Doch trotz dieser Unregelmäßigkeiten war sie eine der hübschesten Frauen, die Sean je gesehen hatte.
»Ich habe nur einen Spaziergang gemacht. Dann habe ich Viggie gehört – ich nehme an, sie ist die Klavierspielerin – und bin stehen geblieben, um ihr zuzuhören.« Sean glaubte, der Frau damit genug Informationen gegeben zu haben, um ihr nun seinerseits eine Frage zu stellen. »Und Sie sind?«
»Alicia Chadwick.«
»Viggie ist eine erstaunliche Pianistin«, bemerkte Sean.
Die milchig grünen Augen richteten sich wieder auf ihn. »Sie ist in vieler Hinsicht ein erstaunliches Kind.« Sie legte Sean die Hand auf den Ärmel und zog ihn von der Tür weg. »Lassen Sie uns reden. Es gibt da ein paar Dinge, die Sie wissen sollten.«
Er lächelte. »Sie sind die erste Person hier, die mit mir sprechen will.«
»Warten Sie mit Ihrem Urteil, bis Sie gehört haben, was ich zu sagen habe.«
18.
F ünf Minuten später führte Alicia Sean die steinernen Stufen zu einem großen grünen verschalten Haus mit Zederndach und breiter Veranda hinauf. Sean folgte ihr in ein bequemes Arbeitszimmer mit Bücherregalen an den Wänden. In der Mitte des Zimmers stand ein Schreibtisch mit einem großen Flachbildmonitor darauf. Alicia deutete auf einen alten Lederstuhl, während sie selbst in einem Bürostuhl hinter dem Schreibtisch Platz nahm.
Sean beobachtete interessiert, wie Alicia das rechte Bein auf die Schreibtischplatte legte und an ihrem Hosenbein zupfte. Etwa in der Mitte des Unterschenkels löste sich ein Klettverschluss. Dann konnte Sean das schimmernde Metall und die Riemen darunter sehen. Alicia löste die Riemen, betätigte ein paar kleine Hebel und stellte die Prothese mit dem schwarzen Mokassin auf den Tisch. Sie rieb sich die Stelle, wo das Aluminium auf den Beinstumpf gedrückt hatte.
Sie schaute zu Sean
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