Sean King 03 - Im Takt des Todes
Bowrider auf einer Haltung in einem der Schuppen. »Irgendjemand hier im Ort kommt offenbar aus New York.«
Sean schaute sich den Namen auf dem Bug an: »The Big Apple«. Er deutete über den Fluss hinweg. »Wie lange dauert es, auf die andere Seite zu rudern? Nicht für jemanden wie dich, sondern für einen Normalsterblichen.«
Michelle dachte kurz nach. »Ich kenne zwar die Strömung nicht, aber ich würde sagen, gut eine Dreiviertelstunde. Von Land sieht das andere Ufer immer näher aus. Wenn man sich durchs Wasser kämpft, ist es aber ein ganzes Stück weiter weg.«
»Dann reden wir also von mehr als zwei Stunden hin und zurück, wenn man davon ausgeht, dass man auf dem Rückweg langsamer rudert.«
»Stimmt.«
Sean führte Michelle durch den Wald zu der Stelle, von wo aus man Camp Peary sehen konnte. Michelle holte ein Fernglas aus ihrem Rucksack und stellte es scharf. Die Sonne spiegelte sich auf dem Zaun, der das CIA -Gelände umschloss.
»Um dich von da drüben zu treffen, muss es ein verdammt guter Schütze sein«, bemerkte Michelle und schätzte Entfernung und Flugbahn ab.
»Ja. Freuen wir uns, dass er nicht so gut war, sonst würde ich hier nicht mehr stehen.«
Michelle deutete nach links zu der Lücke zwischen den Bäumen. »Die Landebahn?«
»Ja.«
Sie schaute zu den großen Kränen weiter den Fluss hinunter. »Navy?« Sean nickte. »Wo haben sie die Leiche gefunden?«
»Soweit wir es herausfinden konnten, ungefähr da.« Sean deutete zu einer bewaldeten Stelle gut fünfhundert Meter von der Landebahn entfernt.
»Wenn Monk freiwillig da rübergefahren ist«, sagte Michelle, »und das nicht nur, um sich zu töten, dann hat er sich entweder mit jemandem getroffen, oder er wollte das Lager ausspionieren, als man ihn erwischt hat.«
»Stimmt. Aber wenn er wirklich spionieren wollte, hätte die CIA formell das Recht gehabt, ihn zu erschießen. Warum sollten sie es dann als Selbstmord darstellen wollen?«
»Vielleicht war es ja wirklich Selbstmord«, gab Michelle zu bedenken.
»Und was ist mit Rivest? Das war definitiv kein Selbstmord.«
»Aber ohne offensichtliche Verbindung zu Monks Tod«, sagte Michelle.
Sean war sich da nicht so sicher. »Vielleicht.«
Als sie zurückgingen, sagte Sean plötzlich: »Ich weiß, ich hätte dir sagen sollen, dass Horatio kommt. Tut mir leid. Ich habe nur zu helfen versucht.«
»Vergiss es«, erwiderte Michelle. Doch sie sagte es in einem Tonfall, der Sean verriet, dass sie es nie vergessen würde.
46.
K aum waren sie in Michelles Wagen gestiegen, ließ Sean das Fenster herunter und atmete tief durch. »Ich kann mich erinnern, dass du deinen Wagen mal extra für mich saubergemacht hast, damit ich auch ohne Sauerstoffmaske atmen konnte.«
»Damals habe ich dich auch noch gemocht«, sagte Michelle und legte den Gang ein. »Okay, wohin jetzt?«
Sie fuhren den Fluss hinunter. Ungefähr jede halbe Meile kamen sie an einem verfallenen Herrenhaus oder einer Plantage vorbei; von den meisten Gebäuden standen nur noch die gemauerten Kamine.
»Das dritte kleine Schweinchen hatte recht: Nur Gemauertes hat Bestand«, bemerkte Michelle.
Schließlich hielten sie vor einem Grundstück und stiegen aus. Sean ging die überwucherte Einfahrt hinauf, Michelle folgte ihm. Auf einer der steinernen Eingangssäulen stand in verwitterter Bronze der Name »Farleygate«.
Sean sagte: »In Babbage Town habe ich ein Buch über die Lokalgeschichte gelesen. Farleygate hat dem Sohn eines berühmten Erfinders gehört.«
»Und was ist passiert?«, fragte Michelle.
»Wie so mancher reiche Erbe hat er das Geld verprasst. Die meisten alten Herrenhäuser hier in der Gegend sind verfallen – Brandonfield, Tuckergate und wie sie alle heißen.«
»Oder man hat sie in Geheimlabore verwandelt, wo Menschen sterben«, fügte Michelle hinzu.
Ein kühler Wind wehte über den Rasen vor dem Haus, der bald von Unkraut verschlungen sein würde.
»Ich wette, es war mal sehr schön hier«, sagte Michelle, schlang die Arme um die Brust und schaute zum Dach hinauf. Anders als bei den meisten verlassenen Herrenhäusern in der Gegend standen Farleygates Wände noch. Nur die große, doppelte Eingangstür war verrottet, die meisten Fenster geborsten und das Schindeldach voller Löcher. »Vermutlich war es ein schöner Ort, um hier aufzuwachsen«, sagte Michelle mit wehmütigem Beiklang.
Sean schaute sie überrascht an. »Du hast selbst nie ein eigenes Heim besessen. Ich wusste gar nicht, dass dir so viel
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