Sean King 03 - Im Takt des Todes
lässt. Aber nach dem, was Leute mir erzählt haben, die dort gewesen sind, stehen tatsächlich noch viele Gebäude – auch das Haus, in dem ich geboren wurde und als kleines Kind gewohnt habe. Deshalb heißt meine Zeitung auch Magruder Gazette. Das ist meine Art, die Erinnerung an meine Stadt wachzuhalten.«
»Nun ja, während des Weltkriegs mussten alle Opfer bringen«, bemerkte Sean.
»Ich habe kein Problem damit, Opfer zu bringen, solange sie gleichmäßig verteilt sind.«
»Was meinen Sie damit?«, hakte Sean nach.
»Magruder war eine afroamerikanische Arbeitergemeinde – eine schwarze Gemeinde, wie man es damals genannt hat. Ich habe nicht gesehen, dass die Navy irgendwelche reichen Weißen aus ihren Häusern geworfen hätte. Es war immer das gleiche Spielchen: Gib dem armen schwarzen Kerl ’nen Tritt, das interessiert sowieso kein Schwein.«
»Ich verstehe das Problem, South«, sagte Sean. »Wirklich. Aber wir sind hier, um über Camp Peary und die lokale Geschichte zu reden.«
»Das haben Sie mir auch am Telefon gesagt, aber nicht, warum.«
»Wir sind Privatdetektive. Die Leute von Babbage Town haben uns beauftragt, den Tod von Monk Turing zu untersuchen.«
»Ja, der Kerl, den sie da drüben tot gefunden haben. Ich habe einen Artikel darüber geschrieben. Allerdings ist er noch nicht veröffentlicht – das Ende fehlt.« Misstrauisch beäugte er seine Gäste. »Sie arbeiten für Babbage Town? Wie wäre es mit einem Handel? Ich rede mit Ihnen über die Farm, und Sie sagen mir, was wirklich im Dorf der Genies passiert.«
»Ich fürchte, das geht nicht, South. Wir sind zur Geheimhaltung verpflichtet.«
»Nun, vielleicht bin ich das auch.«
»Wir versuchen nur, die Wahrheit über Monk Turings Tod herauszufinden«, warf Michelle ein.
»Und dieser andere Kerl, der in Babbage Town gestorben ist? Es heißt, er sei in seiner Badewanne verunglückt. Ich sage: Ja, sicher, und Lee Harvey Oswald und James Earl Ray waren Einzeltäter. Tja, eine Hand wäscht die andere. Sie können nicht reden und ich auch nicht. Da drüben ist die Tür. Auf Wiedersehen.«
»Und wenn wir die Wahrheit über Monk Turings Tod herausfinden«, fuhr Michelle unbeirrt fort, »wird Camp Peary vielleicht nicht allzu gut dastehen. Und vielleicht gehen sie dann sogar weg .«
South’ Gesichtsausdruck veränderte sich sofort. Jetzt schaute er eher fasziniert als trotzig drein. »Das halten Sie für möglich?«
»Alles ist möglich. Und Monk Turing ist da drüben tot gefunden worden.«
»Aber es heißt, er habe Selbstmord begangen – genau wie all die anderen, die man im Laufe der Jahre da drüben tot gefunden hat. Und die Internetblogger schreien: ›Regierungsverschwörung!‹ Ich frage mich, wer recht hat.«
»Vielleicht können wir das mit Ihrer Hilfe ja herausfinden«, sagte Sean.
South drückte seine Zigarette aus, nahm eine Zeitung vom Tisch und begann darin zu lesen. »Was wollen Sie wissen?«
»Was können Sie uns über Camp Peary sagen? Ich bin mehr an den heutigen Ereignissen interessiert.«
South schaute ihn über die Zeitung hinweg an. »Heutige Ereignisse?«
»Ja. Wie das, was aus der Luft kommt.«
»Dann sind Ihnen die Flugzeuge also aufgefallen, ja? Ich nehme an, von Babbage Town hat man eine schöne Aussicht darauf. Sie landen unmittelbar, nachdem sie über den Fluss geflogen sind. Habe ich recht?«
»Um zwei Uhr morgens hat man meist keine schöne Aussicht – besonders nicht, wenn die Landebahnbeleuchtung nicht brennt.«
»Ich weiß.«
»Haben Sie sie gesehen?«, fragte Michelle.
»He, die verdammte Regierung besitzt nicht alles Land hier in der Gegend. Holen Sie sich ein Weltklasse-Barbecue bei Pierce an der Straße nach Spookville, und fahren Sie über den Fluss zum Haus von einem meiner Kumpels. Dann setzen Sie sich auf seinen Anlegesteg und warten darauf, dass das Flugzeug mit dem Krempel vorbeikommt, von dem die Regierung will, dass Sie und ich nichts davon wissen. Ich will Ihnen was sagen: Ich habe schon lange vom Ersten Golfkrieg, vom Irak und von Afghanistan gewusst, bevor der erste Schuss gefallen ist, denn kurz davor ging es da drüben zu wie auf Chicago O’Hare.«
Seine Augen funkelten. »Einmal in der Woche fahre ich mit dem Wagen zum Tor von Camp Peary, schaue mir die grünen Metalldächer der Wachhäuschen an und all die verdammten Schilder, auf denen ›Kein Zutritt, Regierungseigentum‹ steht, und ich sage mir: ›He, ihr Scheißer, das ist das Land meiner Mama! Gebt es zurück!‹
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