Sean King 03 - Im Takt des Todes
Vater betrifft, habe ich … irgendwie nichts Gutes gefühlt.«
»Was meinst du damit?«
»Monk hat sie offenbar wie eine Erwachsene behandelt, zumindest zeitweise. Zu anderen Zeiten hat er … Nun, er hat sie wie ein Gerät behandelt.«
»Wie ein Gerät?«
»Ich weiß. Was ich sage, ergibt keinen Sinn. Ich wünschte, ich wüsste etwas über ihre Mutter. Viggie scheint offenbar zu glauben, dass sie nie eine hatte.«
»Und was heißt das jetzt alles?«, fragte Sean.
»Ich fürchte, wir sind nicht viel weitergekommen.«
»Nun, wenigstens sind wir zum selben Ergebnis gekommen: null.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Ich will mal nach dem Ball treten und sehen, ob ich das Tor treffe.«
50.
D a die Frau Sean ihre Rufnummer nicht gegeben hatte, suchte er im Telefonbuch und im Internet, doch ohne Erfolg. Schließlich beschloss er, an diesem Abend nach Williamsburg und in dieselbe Bar zu fahren, in der er sie am Abend zuvor gesehen hatte. Michelle wollte mitkommen, doch Sean legte sein Veto ein.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Valerie deine Anwesenheit so zu schätzen wüsste wie ich.«
»Sean, denk darüber nach: Ein Kerl wie Whitfield wird nicht zulassen, dass seine Frau ihm Hörner aufsetzt. Wahrscheinlich lässt er sie rund um die Uhr beschatten.«
»Falls ja, haben sie mich schon mit ihr gesehen. Wenn das ein zweites Mal geschieht, wird sie das vielleicht aus der Fassung bringen, sodass sie den Fehler machen, auf den ich warte.«
»Das ist ziemlich riskant.«
»Wir haben kaum andere Möglichkeiten. Die Leichen sind zu Asche verbrannt. Ventris würde uns am liebsten steinigen, und die einzige Person, die uns vielleicht helfen könnte, Viggie, spricht eine Sprache, die keiner von uns versteht.«
»Ich dachte, Horatio würde sich mit Viggie treffen.«
»Hat er schon.« Sean berichtete, was Horatio ihm über die Sitzung mit dem Mädchen erzählt hatte.
»Monk hat seiner Tochter also offenbar irgendwas erzählt, allerdings in verschlüsselter Form«, sagte Michelle.
»Wenn man ihr glauben kann. ›Code und Blut.‹ Was soll das heißen?«
Michelle zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Das ist das Problem bei diesem Fall: Es gibt nur wenige Hinweise, und die verschwinden auch noch, ohne dass ein neuer dazukommt.« Sean holte ein Stück Papier aus der Tasche. »Monk ist nach England gereist. Joan hat seine Reiseroute rekonstruieren können. Er hat mehrere Orte besucht: London, Cambridge, Manchester, Wilmslow und Bletchley Park. Letzterer ist sehr interessant. In Bletchley Park hat sein Verwandter Alan Turing während des Zweiten Weltkriegs gearbeitet und Champ Pollion zufolge die Welt gerettet.«
»Und wie stehen die anderen Orte damit in Verbindung?«
»Abgesehen von den drei Jahren Princeton sind das fast alle Stationen in Alan Turings Leben. Er wurde im Londoner Stadtteil Paddington geboren, ist in Cambridge aufs College gegangen, hat in Princeton seinen Doktor gemacht, ist wieder nach Cambridge zurückgekehrt, ging dann nach Bletchley Park und ist nach dem Krieg an die Universität von Manchester gewechselt. 1954 hat er sich in Wilmslow, Cheshire, das Leben genommen.«
»Dann war dieser Alan Turing also mit Monk verwandt, und Monk hat eine Reise durch die Geschichte unternommen«, sagte Michelle. »Oder steckt mehr dahinter?«
»Möglich.«
»Okay. Während du mit einer verheirateten Frau anbändelst – was soll ich tun?«
»Heute Abend hast du Viggie-Dienst, aber vorher will Horatio noch mit dir sprechen. Und wenn du es irgendwie einrichten kannst, wäre es großartig, wenn du im Herrenhaus nach einem Geheimraum suchen könntest.«
»Und wenn ich nicht mit Horatio reden will?«
»Ich zwinge dich zu nichts. Aber er will dir ehrlich helfen.«
»Du meinst, indem er hinter meinem Rücken mit meiner Familie redet und in meiner Vergangenheit herumschnüffelt?«
»Hier ist die Adresse seiner Pension.«
»Und was tust du in der Zwischenzeit?«
»Mich auf mein Date vorbereiten.«
Michelle verzog das Gesicht. »Manchmal treibst du mich wirklich zur Weißglut.«
»Echt? Kann ich mir gar nicht vorstellen.«
51.
M ichelle verbrachte die nächste Stunde damit, das Erdgeschoss des Herrenhauses so methodisch und unauffällig abzusuchen wie möglich. Sie durchquerte das Billardzimmer, die riesige Bibliothek, das Raucherzimmer, die Waffenkammer mit den antiken Gewehren, den Salon und das Trophäenzimmer mit den ausgestopften Tierköpfen an der Wand. Doch nirgends fand sie Hinweise auf einen
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