Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
bin manchmal mit ihm hier raufgefahren, mit dem Truck. Da haben wir dann das Gras gemäht.«
»Sprich weiter«, forderte Michelle ihn auf. »Je mehr wir wissen, desto besser sind wir vorbereitet.«
Gabriel erzählte von den Schächten und Räumen, die Quarry in der Mine angelegt hatte.
»Warum hat er all das gemacht?«, fragte Sean.
»Er hat gesagt, wenn das Ende der Welt gekommen ist, würden wir alle da hingehen. Er hat jede Menge Essen, Wasser, Laternen und so weiter da.«
»Und Waffen«, sagte Michelle.
»Und Waffen«, bestätigte Gabriel. »Wahrscheinlich ziemlich viele.«
Sean holte seine eigene 9mm und die beiden Ersatzmagazine heraus, die er stets bei sich trug.
Zwei Pistolen, ein paar Ersatzmagazine, ein kleiner Junge, zwei potenzielle Geiseln, eine finstere Mine und eine bis an die Zähne bewaffnete Gegenseite, die jeden Winkel kannte. Sean blickte Michelle im Innenspiegel in die Augen.
Michelle dachte offenbar das Gleiche, denn sie formte mit den Lippen stumm die Worte: »Ich weiß.«
Sean schaute zum Seitenfenster hinaus. Das Gelände wurde immer steiler. Auch wenn die Sonne langsam höher stieg, war es noch dunkel und kalt. Sean dachte an den Kellerraum in Atlee zurück. Er dachte an die Geschichte an der Wand, die Sam Quarry vermutlich Jahre seines Lebens gekostet hatte. Und dann dachte er an jene Nacht in Georgia zurück, als er in diese Gasse gegangen war und die junge Frau gesehen hatte, die es mit dem zukünftigen Präsidenten trieb. Dabei hatte der Mann eine wunderschöne und intelligente Ehefrau gehabt und war gerade in den US-Senat gewählt worden. Und da ließ er sich von irgendeiner Zwanzigjährigen im Auto einen blasen?
Seans Gedanken schweiften zu einer anderen jungen Frau: Tippi Quarry.
Er hat mich vergewaltigt, Daddy.
Eine blutige Abtreibung.
Ein jahrelanges Koma.
Lebenslanges, vegetatives Stadium, hatte Quarry an die Wand geschrieben und jedes Wort drei Mal unterstrichen.
Sean hatte keine Kinder. Aber hätte er welche gehabt, und wäre seiner Tochter etwas Ähnliches widerfahren, was hätte er dann getan? Wie weit würde er gehen? Was für eine Geschichte würde er an die Wand schreiben? Wie viele Menschen würde er töten?
Sean steckte die Pistole wieder in den Gürtelholster.
Sie würden Sam Quarry oben an der Mine finden, davon war Sean überzeugt. Und sie würden auch Willa und diese Diane dort finden - ob lebend oder nicht, stand allerdings in den Sternen.
Aber was die Frage betraf, was er und Michelle deswegen unternehmen sollten ...
Sean wusste es wirklich nicht.
80.
E ine Stunde, bevor die beiden Hubschrauber mit dem Präsidenten und seinem Sicherheitsteam eintrafen, landeten zwei große Helikopter mit zwei Dutzend schwer bewaffneten SWAT-Männern und jeder Menge Ausrüstung keine hundert Meter von Quarrys kleinem Haus entfernt. Die Waffen im Anschlag, verteilten sich die Männer. Weitere Ausrüstung wurde aus den Hubschraubern geschleppt und aufgebaut. Die Männer erkundeten die unmittelbare Umgebung, fanden aber nichts.
In dem mit Blei verkleideten Bunker hatte Carlos sich unter den Sehschlitz geduckt, kaum dass er die Hubschrauber gehört hatte, doch sein Blick haftete auf dem Monitor. Er bekreuzigte sich und murmelte ein kurzes Gebet.
Die Hälfte der Beamten riegelte das Areal ab, während die andere Hälfte weitere Geräte aus dem zweiten Helikopter holte. Die auffälligsten waren zwei mobile Roboter, die jeder hundert Pfund wogen. Die Männer stellten sie auf den Boden und schalteten sie ein; dann wurden sie mit einer Art Joystick gelenkt. Der erste Roboter fuhr in immer engeren Kreisen um das Haus und rollte schließlich hinein. Falls es dort drin Sprengsätze geben sollte, würde der Roboter sie mit seinen Instrumenten finden, und ein Bombenentschärfungskommando würde sie unschädlich machen.
Doch der Roboter fand keinen Sprengstoff; also wurde der zweite, modernere Robot geschickt. Die SWATs hatten ihn »Gamma Hound« getauft. Seine Aufgabe bestand darin, radioaktive, biologische oder chemische Substanzen zu orten. Doch auch Gamma Hound schlug nicht ein einziges Mal an. Das Haus war sauber.
Erst dann näherten sich die Beamten dem Haus und gingen hinein. Was sie dort fanden, erstaunte selbst die erfahrensten Veteranen unter ihnen.
Der Truppführer nahm sein Funkgerät und berichtete: »Wir haben hier eine bewusstlose weiße Frau zwischen dreißig und vierzig Jahren, die an medizinische Geräte angeschlossen ist, die offensichtlich von einem
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