Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
gegenüber.
»Mir ist gerade eine Reporterin auf Hexenjagd ins Genick gesprungen.« Er schaute zu Jane. »Weißt du was darüber?«
»Natürlich nicht. Wie sollte ich?«
»Ich weiß nicht.« Sean richtete den Blick wieder auf Tuck. »Okay, Zeit ist knapp. Warum also um den heißen Brei reden? Cassandra Mallory?«
»Was ist mit ihr?«
»Wie stehst du zu ihr?«
»Sie ist eine Mitarbeiterin.«
»Das ist alles?«
»Natürlich.«
»Dein Partner hat einen anderen Eindruck.«
»Dann irrt er sich.«
Sean stand auf und blickte aus dem Fenster. Unten wartete die Fahrzeugkolonne darauf, dass die First Lady ihren Besuch beendete. Das Leben im Glashaus - Sean kannte es nur allzu gut. Jede noch so kleine Bewegung wurde überwacht, und das nahm einem beinahe die Luft zum Atmen. Und doch gab man Hunderte von Millionen Dollar aus und widmete Jahrzehnte seines Lebens dem Ziel, in dieses Glashaus hineinzukommen. War das Wahnsinn, Eitelkeit oder etwas von beidem, was sich da hinter der Fassade des Dienstes am Vaterland verbarg?
Sean drehte sich wieder um. Seine Gedanken überschlugen sich. Wenn er zugab zu wissen, dass das Passwort für Tucks Computer »Cassandra1« lautete, würde er damit eingestehen, den Rechner gehackt zu haben. Also fragte er stattdessen: »Wärst du bereit, dich zu diesem Thema einem Lügendetektortest zu unterziehen?«
Tuck wollte etwas erwidern, doch Sean sah, wie die First Lady den Griff um die Schulter ihres Bruders verstärkte, und er schwieg.
»Sean«, begann sie, »warum tust du das?«
»Du hast mich gebeten, diesen Fall zu untersuchen, und genau das tue ich. Ich habe keinen Einfluss darauf, wohin mich das führt, auch wenn es einige Orte gibt, die ich lieber meiden würde. Du hast mir gesagt, ich solle tun, was auch immer nötig sei. Das war im Weißen Haus, vor gar nicht allzu langer Zeit. Ich bin sicher, du erinnerst dich.«
»Ich erinnere mich auch daran, dich gebeten zu haben, Willa zu finden.«
»Das wird mir aber kaum gelingen, wenn ich nicht zuerst herausfinde, wer sie entführt hat - und wer dabei Pam getötet hat.« Bei den letzten Worten funkelte er Tuck an.
»Ich hatte nichts damit zu tun«, beteuerte Tuck.
»Dann hast du sicher auch nichts gegen einen Test mit dem Lügendetektor.«
»Du kannst mich nicht dazu zwingen«, schoss Tuck zurück.
»Nein, aber wenn ich zum FBI gehe und ihnen erzähle, was ich herausgefunden habe, werden sie an Orten nachforschen, von denen du nicht willst, dass sie dorthin gehen. Bestehst du den Lügendetektortest, erfährt das FBI kein Wort. So ist der Deal.«
Jane sagte ruhig: »Du hast also mit Hilal gesprochen, seinem Partner, ja?«
»Ich dachte, du wärst mit den Geschäften deines Bruders nicht so vertraut.«
Jane fuhr ungerührt fort: »Hat Hilal dir auch erzählt, dass er verzweifelt versucht, Tuck auszukaufen? Dass er die Firma alleine haben will?«
Sean schaute zu Tuck. »Stimmt das?«
»Ja. Ich werde nicht lügen. Ich musste ein paar finanzielle Rückschläge in Kauf nehmen. David wusste, dass ich Geld brauchte. Er will mich auskaufen, aber zu einem Preis, der nicht annähernd dem Wert unserer Verträge mit dem Heimatschutzministerium entspricht. Das wären nämlich mehrere Millionen Dollar zusätzlich.«
»Wie du siehst«, sagte Jane, »liegt es in Hilals Interesse, Tuck anzuschwärzen. Wenn Tuck ins Gefängnis geht, bekommt Hilal alles für einen Apfel und ein Ei.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Sean.
»Aber ich müsste dann verkaufen, allein schon, um mir die Anwälte leisten zu können«, erklärte Tuck. »Er würde einen lächerlichen Preis bezahlen, und ich habe die Firma aufgebaut.«
Jane fügte hinzu: »Sean, du solltest deine Aufmerksamkeit nicht auf Tuck, sondern auf einen plausibleren Verdächtigen richten.«
Sean ließ sich einen Augenblick Zeit, um das zu verarbeiten. »Ihr glaubt also, Hilal habe die Entführung und den Mord in Auftrag gegeben, nur um Tuck die Schuld in die Schuhe zu schieben und die Firma zu übernehmen? Das ist ein bisschen weit hergeholt, meint ihr nicht? Und warum Willa entführen?«
Jane setzte sich auf die Bettkante. »Ich werde nicht versuchen, die Gedankengänge eines potenziellen Psychopathen zu rekonstruieren. Aber das ist nicht weiter hergeholt, als zu glauben, mein Bruder hätte seine Frau ermordet, seine Tochter gekidnappt und sich einen Schlag auf den Kopf verpassen lassen, der ihn genauso gut hätte töten können - und das alles nur, weil er angeblich eine Affäre hat.«
Sean
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