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Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug

Titel: Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Geländer unmöglich. Wäre das der Fall gewesen, wäre sie einfach auf den Stufen zusammengesackt. Nach einem Schlaganfall hätte sie natürlich auch nach vorne stolpern, vom Wagen abprallen und erst dann mit dem Kopf auf den Betonboden aufschlagen können. Das würde das Blut erklären.
    Das musste das Blut erklären.
    Michelle drehte sich um und hätte vor Schreck fast laut geschrien.
    Ihr Vater stand hinter ihr.
    Frank Maxwell war seinem Ausweis zufolge eins neunzig groß, obwohl Alter und Schwerkraft ihm inzwischen mehr als fünf Zentimeter geraubt hatten. Er besaß die straffe Muskulatur eines Mannes, der sein Leben lang körperlich aktiv gewesen war. Sein Blick huschte über das nervöse Gesicht seiner Tochter; vermutlich versuchte er, alles zu lesen, was es dort zu lesen gab. Dann schweifte sein Blick zu dem Fleck auf dem Boden. Er starrte darauf, als stünde dort eine kryptische Botschaft, die es zu entziffern galt.
    »Sie hat unter Kopfschmerzen gelitten«, sagte er. »Ich habe ihr gesagt, sie soll zum Arzt gehen.«
    Michelle nickte langsam. Das war eine seltsame Art, ein Gespräch zu eröffnen. »Sie könnte einen Schlaganfall gehabt haben.«
    »Oder ein Aneurysma. Der Mann einer Nachbarin hat vor Kurzem eines gehabt. Es hätte ihn fast umgebracht.«
    »Wenigstens hat sie keine Schmerzen gelitten«, sagte Michelle, auch wenn es ein wenig lahm klang.
    »Ja, das glaube ich auch.«
    »Du warst im Bad, nicht wahr? Bill hat es mir gesagt.«
    Ihr Vater nickte. »Ich habe geduscht. Wenn ich mir vorstelle, dass sie hier gelegen hat, während ich ...«
    Michelle legte ihm die Hand auf die Schulter. Es machte ihr Angst, ihren Vater so zu sehen. Er war drauf und dran, die Fassung zu verlieren. Ausgerechnet er - ein Mann, der stets beherrscht gewesen war.
    »Du konntest nichts tun, Dad. So was passiert nun mal. Es ist falsch und ungerecht, aber es passiert.«
    »Und gestern ist es mir passiert«, sagte ihr Vater.
    Michelle nahm ihre Hand weg und schaute sich in der Garage um. Die Kindersachen waren schon lange aus dem Leben ihrer Eltern verschwunden. Weder Fahrräder noch Planschbecken oder Bälle störten sie in ihrem Ruhestand. Alles war sauber, beinahe steril, als wäre ihre gesamte Familiengeschichte einfach weggewischt worden. Michelles Blick wanderte wieder zu dem Blutfleck. »Sie wollte mit ein paar Freundinnen essen gehen, nicht wahr?«
    Ihr Vater blinzelte. Einen Augenblick lang glaubte Michelle, er würde in Tränen ausbrechen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihren Vater noch nie hatte weinen sehen. Doch kaum hatte dieser Gedanke Gestalt angenommen, traf es sie wie ein Schlag.
    Ich habe meinen Vater schon einmal weinen sehen ... Ich weiß nur nicht mehr wann.
    »Ich glaube schon, ja.«
    Bei seiner unbestimmten Antwort fühlte Michelles Mund sich wie ausgetrocknet und ihre Haut wie verbrannt an.
    Wortlos schlüpfte sie an ihrem Vater vorbei und schnappte sich in der Küche die Schlüssel des Mietwagens. Bevor sie losfuhr, warf sie noch einmal einen Blick aufs Haus. Ihr Vater beobachtete sie durch das Wohnzimmerfenster. Michelle konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, aber das wollte sie auch nicht.
    Mit einem Becher Kaffee von Dunkin' Donuts in der Hand fuhr sie durch die Straßen der Vorstadt von Nashville, wo ihre Eltern mit der finanziellen Hilfe ihrer fünf Kinder ihr Traumhaus gebaut hatten, wo sie ihren Ruhestand hatten verbringen wollen. Michelle war als Einzige unverheiratet und kinderlos, weshalb sie mit Abstand am meisten gezahlt hatte, doch sie hatte es nie bedauert. Eine große Familie mit dem Gehalt eines Cops zu ernähren, war nicht leicht, und ihre Eltern hatten viel für sie geopfert. Michelle hatte keine Probleme damit, die Schuld zu begleichen.
    Sie holte ihr Handy aus der Tasche und rief ihren ältesten Bruder an. Sie ließ ihm noch nicht einmal Zeit, »Hallo« zu sagen, bevor sie sich auf ihn stürzte.
    »Warum hast du mir nichts von dem Blut in der Garage erzählt, Bill?«
    »Was?«
    »Das Blut auf dem verdammten Garagenboden!«
    »Mom hat sich beim Sturz den Kopf angeschlagen.«
    »Woran denn?«
    »Vermutlich am Wagen.«
    »Bist du sicher? Am Auto ist keine Spur zu sehen.«
    »Auf was willst du hinaus?«
    »Wird eine Autopsie vorgenommen?«
    »Was?«
    »Eine Autopsie!«
    »Ich ... Das weiß ich nicht. Ich nehme es an«, fügte er verlegen hinzu.
    »Warum hast du es nicht erwähnt, als du mich angerufen hast?«
    »Weshalb hätte ich das tun sollen? Sie machen eine Autopsie und

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