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Richtung.
Mingyur Rinpoche liefert ein beeindruckendes persönliches Beispiel für diesen Vorgang. Bis zu seinem 13. Lebensjahr litt er an einer ausgeprägten Panikstörung. Mit dreizehn Jahren beschloss er während eines Meditationsretreats, seine Panik gründlich unter die Lupe zu nehmen. Er stellte fest, dass es zwei Möglichkeiten gab, sie gröÃer und stärker zu machen: Indem er sie zu seiner Herrin machte und jede ihrer Anweisungen befolgte, oder indem er sie als seine Feindin behandelte und sich wünschte, sie würde verschwinden. Mingyur entschied, dass er stattdessen lernen würde, sich mit der Panik anzufreunden. Er würde weder Befehle von ihr annehmen noch wünschen, sie möge verschwinden, sondern ihr gestatten, nach Belieben zu kommen und zu gehen, und sie freundlich behandeln. Nach nur drei Tagen war sie für immer verschwunden. »Die Panik wurde meine beste Freundin, aber nach drei Tagen war sie fort, und jetzt fehlt sie mir«, erklärte er mir halb
im SpaÃ. Hier beschreibt er, welche Einsicht er bei dieser Ãbung gewann:
Drei Tage lang blieb ich in meinem Zimmer und meditierte [â¦]. Allmählich begann ich zu erkennen, wie im Grunde schwach und flüchtig die Gedanken und Emotionen waren, die mich seit Jahren geplagt hatten, und wie das Sichfixieren auf kleine Probleme dazu führte, dass aus ihnen groÃe Probleme wurden. Indem ich einfach nur still dasaà und beobachtete, wie rasch und in vielerlei Hinsicht unlogisch meine Gedanken und Emotionen kamen und gingen, begann ich auf unmittelbare Weise zu erkennen, dass diese nicht annähernd so dauerhaft oder real waren, wie es den Anschein hatte. Und als ich erst einmal von meinem Glauben an die Geschichte, die sie mir zu erzählen schienen, ablieÃ, begann ich den »Autor« zu sehen, der sich dahinter verbarg â das unendlich weite, grenzenlos offene Gewahrsein, das die Natur oder das Wesen des Geistes selbst ist. 8
In seinem berühmten Gedicht »Das Gästehaus« beschreibt der groÃe persische Sufi-Dichter Rumi den Geist eines Menschen, der sich mit seinen Gefühlen anfreundet:
Dies Menschsein ist ein Gästehaus.
Jeden Morgen eine neue Ankunft.
Eine Freude, ein Kummer, eine Hinterlist,
eine plötzliche Erkenntnis
kehrt unerwartet ein.
Heià alle willkommen und bewirte sie!
Und seiâs auch eine Sorgenschar,
die ungestüm das Mobiliar
aus deinem Hause fegt,
begegne jedem Gast mit Achtung.
Vielleicht putzt er dich ja
für neue Freuden blank.
Empfang den düsteren Gedanken, die Scham, die Bosheit
lachend an der Tür,
und bitte sie herein.
Sei dankbar für jeden, der da kommt â
er wurde als Führer
aus dem Jenseits gesandt. 9
Von Rumi und Mingyur inspiriert, und weil ich ein Ingenieur bin, der sich als Dichter wähnt, möchte ich dieses Kapitel mit einem eigenen Gedicht beschlieÃen. Es trägt den Titel »Meine Monster«:
Meine Monster sind von unterschiedlicher GröÃe und Gestalt.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mit ihnen umzugehen.
Ich weiÃ, was ich tun muss: loslassen.
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Zuerst löse ich mich von dem Wunsch, sie zu unterdrücken.
Wenn sie auftauchen, nehme ich sie zur Kenntnis.
Ich lasse sie sein.
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Danach löse ich mich von dem instinktiven Wunsch, sie zu
verteufeln.
Ich versuche, sie zu verstehen.
Ich sehe sie so, wie sie sind.
Sie sind nur Schöpfungen meines Körpers und meines Geistes.
Ich gehe ein wenig auf sie ein.
Ich reiÃe Witze mit ihnen.
Ich reiÃe Witze über sie.
Ich lasse sie spielen.
Dann löse ich mich von dem Wunsch, sie zu füttern.
Sie dürfen hier spielen, so viel sie wollen.
Aber ich gebe ihnen keine Nahrung.
Sie dürfen gern bleiben, auch wenn sie hungrig sind.
Ich lasse sie einfach weiter sein.
Dann kriegen sie richtig Hunger.
Und manchmal gehen sie.
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Zum Schluss löse ich mich von dem Wunsch, sie festzuhalten.
Sie dürfen jederzeit gehen.
Ich lasse sie.
Ich bin frei.
Fürs Erste.
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Ich besiege sie nicht.
Sie besiegen mich nicht.
Und wir leben zusammen.
In Harmonie.
»Ich weià ja, dass ihr jetzt dicke Freunde seid. Aber müssen die deshalb gleich so oft hier rumhängen?«
KAPITEL SECHS
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