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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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sie die Augen aufschlug und ihr alles wieder einfiel.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange oder wie weit sie gelaufen war, nachdem sie die Brücke überquert hatte, bis sie sich der ruhig brennenden Lichter bewusst geworden war, die auf eine bewohnte Gegend hingedeutet hatten.
    Sie hatte bereits vorher Lichter gesehen, das schwankende Auf und Ab von Laternen, getragen von Leuten, die in der Dunkelheit unterwegs waren. Und sie hatte Musik gehört, einen fröhlichen Klang aus der Ferne. Beinahe währe sie den Lichtern und der Musik gefolgt, aber dann war sie von dem Gefühl ergriffen worden, dass der Boden unter ihren Füßen versuchte, sie festzuhalten, was jeden Schritt zu einem Willenskampf werden ließ - als ob etwas in der Luft um sie herum flüsterte: Das ist nicht, was du willst. Das ist nicht, wonach du suchst. Und dann …
    Komm zu mir.
    Sie erinnerte sich an die Stimme des Mannes und dachte: Er braucht mich. Sie wusste nicht, warum sie sich dessen so sicher war - niemand hatte sie je gebraucht -, aber es hatte ausgereicht, um sich von den Lichtern abzuwenden und weiterzugehen, bis sie eine kleine Anhöhe erklommen und unter sich den ruhigen Schein der Laternen gesehen hatte.
    Der Rest ihrer Reise war nur eine verschwommene Erinnerung an den Kampf, etwas zu erreichen, das sich stets gerade außerhalb ihrer Reichweite hielt. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, aufzugeben und sich von den Kräften mitreißen zu lassen, die versuchten sie fortzuziehen. Und vielleicht hätte sie auch aufgegeben, aber …
    Er braucht mich!
    Als sie aus der Gasse getreten war, in der er sie gefunden hatte, wurde die Welt auf einmal wieder klar.
    Sie hatte noch nie einen Mann gesehen, der aussah wie aus einem Märchenbuch, aber dieser Mann tat es. Und die Sachen, die er trug. Sie hatte noch nie gesehen, dass eine Hose einem Mann so passte. Und dieses Hemd, das seine Augen so unfassbar grün leuchten ließ. Und eine Lederjacke. Mutter hätte ihn einen schlechten Einfluss genannt, allein schon wegen seines Aussehens.
    Aber er war freundlich zu ihr gewesen.
    Als er sie zuerst ansah, hatte er aus irgendeinem Grund verärgert gewirkt, zornig sogar. Sie hatte lange genug mit Vater und Ewan zusammengelebt, um schlechte Laune in den Augen eines Mannes erkennen zu können. Aber er hatte sie an einen Ort gebracht, an dem sie etwas zu essen bekam, und er hatte sein Zimmer aufgegeben, damit sie schlafen konnte.
    »Sebastian«, flüsterte sie. Allein der Klang seines Namens wärmte sie und ließ ihr Herz höher schlagen. »Sebastian.«
    Dann verschwand ihre gute Laune. Sie hatte nicht den Mann gefunden, der nach ihr gerufen hatte, als ihre Gedanken von Verzweiflung erfüllt gewesen waren und sie sich nach etwas Besserem gesehnt hatte. Sie hatte nicht den Mann gefunden, der sie brauchte. Ein Blick auf Sebastian reichte aus, um zu erkennen, dass er kein Mann war, der irgendetwas von jemandem wie ihr brauchen könnte.
    Schlimmer noch, sie war im Sündenpfuhl. Ein abscheulicher, schrecklicher Ort. Ein Ort, von dem anständige Frauen nicht einmal gehört, geschweige denn ihn gesehen haben sollten.
    Aber das ergab keinen Sinn, schließlich kannten Mutter und ihre Freundinnen den Pfuhl ja auch. Sogar die jüngeren Frauen aus dem Dorf hatten schon von ihm gehört. Wahrscheinlich war er die bekannteste Landschaft Ephemeras. Aber seltsamerweise war er nicht leicht zu finden. Ein paar von Ewans Freunden hatten letztes Jahr versucht, in den Pfuhl zu gelangen. Sie hatten eine Brücke überquert und waren im heruntergekommenen Viertel einer großen Stadt herausgekommen, und einer von ihnen war verprügelt und ausgeraubt worden, aber den Pfuhl hatten sie nicht gefunden.
    Was sagte das also über sie?
    Mutter hatte wohl recht. Ich muss ein schlechter Mensch sein.
    Warum wäre sie sonst im Pfuhl gelandet, wenn alles, wonach sie gesucht hatte, ein sicherer Ort war? Aber sie fühlte sich sicher. War es nicht merkwürdig, sich an einem Ort wie diesem sicher zu fühlen?
    Lynnea schlug das Laken und die leichte Decke zurück und sah sich in dem Raum um.
    Sie ging ins Badezimmer, wusch sich und experimentierte dann so lange mit dem Wasserhahn der Badewanne herum, bis sie herausfand, wie man sich ein Bad einließ.
    Heißes Wasser, einfach indem man einen Hahn aufdrehte. Wie dekadent!
    Vielleicht war es ja doch gar nicht so schlecht, ein schlechter Mensch zu sein.
    Ein paar genussvolle Minuten lag sie einfach in der Badewanne, dann erinnerte sie sich an die Tür, die in

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