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Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman

Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman

Titel: Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Obdach mehr, und die Natschalniks haben sich nicht getraut, ihr Arbeit zu geben nach der Verbannung. Sie hat sich als Tagelöhnerin verdingt, hat Pilze und Beeren gesammelt und zur Annahmestelle gebracht. Gewohnt hat sie erst mal bei dem Einspänner Makarowitsch im Anbau, doch dann hat sie’s nicht mehr ausgehalten und ist zu Verwandten deiner Oma gezogen, in den Kreis Nikolsk, Gebiet Wologda. Dort weiß man nichts von ihrer Vergangenheit, der Mann ist tot, vielleicht fasst sie dort Fuß, auch das Haus ist ihr ja nicht fremd. Nach dir hat sie überall gesucht, bei allen Behörden, Briefe hat sie geschrieben, und sie sucht auch jetzt noch. Dem alten Makarowitsch hat sie ihre Adresse dagelassen, sogar einen adressierten Umschlag, damit er ihn gleich abschickt, wenn es Nachricht gibt von dir. Und da bist du auf einmal … Michailowitsch, bring sie zu dem Einspänner Fjodor Makarowitsch. Da, siehst du, das Haus am Dorfrand. Du kannst auch gleich bei ihm übernachten, und die Ware rechnen wir morgen ab.«
    Auf diese Weise landeten wir – statt in Brubbels Haus – bei dem alten Makarowitsch. Seine Kate war uralt, nicht aus gesägten, sondern behauenen Stämmen errichtet, sie hatte einen riesengroßen russischen Lehmofen undeinen Heiligenwinkel, wo unter dem verglasten Schrein mit Christus, der Gottesmutter und dem wundertätigen Nikolaus auch Bilder von Lenin und Stalin hingen, ausgeschnitten aus der Illustrierten »Ogonjok«.
    Makarowitsch, nachdem er erfahren hatte, wer wir waren, holte hinter einer Ikone einen frankierten Briefumschlag mit der Adresse von Brubbels Mutter hervor und hieß Brubbel, folgenden Brief zu schreiben und in den Umschlag zu tun: »Ich lebe, bin gesund, bin geflohen und sitze in Bestoshewo, habe kein Geld, weiß nicht weiter, antworte mir, Dein Nikolai.«
    »Verstanden? Und nun erzähl.«
    Ja, wir hatten Pech. In Bestoshewo zu bleiben hatte für uns beide keinen Sinn. Wir mussten zurück nach Schangaly, Brubbel von dort ins Wologdaer Land zur Mutter und den Geschwistern und ich über Wologda nach Piter.
    Onkel Michail, unser Fahrer, erfasste unsere Situation und erbot sich, uns wieder zurückzubringen, doch erst müsse er noch die nördlichen Waldsiedlungen mit Waren versorgen.
    Früh am Morgen halfen wir ihm, die Waren auszuladen, erst für den Laden, dann für die Post. Im Laden hatten wir den ganzen Tag zu tun: Waren sortieren, die Regale mit Graupen und Konserven auffüllen, Fleisch und Fisch in den Keller bringen. Die freundliche Verkäuferin von gestern, Tante Kapa, bezahlte unsere Arbeit mit Lebensmitteln – Brot, Zucker, Sonnenblumenöl. Lebensmittel zählten damals in dieser Gegend mehr als Geld.
    Drei Tage wohnten wir in der schwarzen Kate von Makarowitsch, ohne sie zu verlassen. Drei Tage erzählte unsder alte Mann vom Leben und Treiben der Landleute in der Umklammerung der Sowjetmacht.
    Was er sagte, prägte sich ins Gedächtnis durch die entrückte Erzählweise eines Menschen, der viel durchgemacht hat.
    »Geboren bin ich in einem Holzhaus ohne Rauchabzug. Heute sagt man Rauchhaus dazu. Auf dem russischen Ofen, siehst ja, da haben zwei Familien drauf Platz. Gearbeitet haben wir hauptsächlich in der Landwirtschaft. Na ja, damit ist es bei uns nicht weit her, ihr habt’s gesehen, viele Hügel, da wächst nicht so viel getreide. Um die Familie zu ernähren, mussten unsre Eltern dazuverdienen. Makar Andrejewitsch, was mein Vater war, sechsundachtzig ist er geworden, der hatte goldene Hände. Das Wichtigste, was er gemacht hat, waren Filzstiefel. Sein Großvater, Jefim Iwanowitsch, der war Wollschläger. Und dann hatten wir eine Steinmühle, und die Leute sind gekommen, um ihr Korn zu mahlen. Mein Vater hat auch noch Schaffelle verarbeitet, hat gekürschnert. Und Onkel Maxim war ein ganz besonderer Meister – hat Schlitten gebaut, Arbeitsschlitten, mit denen wurden Stämme gefahren, Heu, Brennholz … So ist das.
    In vielen Familien, auch in unsrer, war das Brot immer knapp. Ich weiß noch, das Korn hat kaum jemals bis zur neuen Ernte gereicht – der Boden hier taugt nicht für Getreide. Im Sommer haben wir manchmal nur Fisch zum Essen gehabt.
    Im Wald hatten wir früher auch unser Tun, aber gefällt wurde nur im Winter, wie es sich gehört. Da haben wir die Stämme mit Pferden zum Fluss gezogen, um sie zuflößen. Bei uns kehren die Flüsse nach dem Hochwasser spät in ihr Bett zurück, so wie dieses Jahr. Zu dem Zeitpunkt haben wir die Flöße gebunden und auf der Uschja

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