Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
klingelte, und mein Herz machte einen kleinen Satz, weil ich hoffte, es wäre Ulf. Der sich entschuldigen würdeund mich noch heute Abend sehen wollte. Was man halt so dachte, wenn man eine verklärte Romantikerin war, die immer einen halben Schritt an der Realität vorbeischrammte. Mein Herz durfte sich wieder abregen, auf dem Display sah ich eine mir unbekannte Handynummer.
»Claussen?«, meldete ich mich.
»Ja, hallo, Markus Röck mein Name, von der Lottozentrale am Überseering, ich hoffe, ich störe Sie nicht?« Erstaunt schielte ich auf die Uhr, schon weit nach acht.
»Sind Sie noch im Dienst?«, erkundigte ich mich.
»Na ja, so halb. Ich habe es vorhin nicht geschafft, zurückzurufen, und ich mag es nicht, wenn so was so lange liegen bleibt.«
»Das finde ich toll«, gab ich zurück und verabredete mich mit ihm für den nächsten Tag zum Interview.
»Ist doch gut, dass ich Sie noch erwischt habe«, meinte er. »Sonst hätten Sie morgen wieder anrufen müssen und wären nur beim Stellvertreter meines Stellvertreters gelandet, der hätte keine Ahnung gehabt, wovon Sie reden, und Sie weitergeleitet, entweder an die Empfangsdame oder ans Faxgerät.«
Küsse keck das holde Weib und
drück es fest an deinen Leib.
Denn das gibt Glück und hohen Mut,
sofern sie züchtig ist und gut.
Wolfram von Eschenbach
Ein Herzinfarkt war nicht mehr weit. Mein Handy hatte zweimal an diesem Morgen geklingelt. Jedes Mal war ein Mann dran. Kein Mal war es Ulf. Nun gut, von Männern zu sprechen war vielleicht übertrieben. Der eine war unser Volontär Daniel. Der andere Rafael, unser Zumbalehrer, der sonst was in Bewegung gesetzt haben musste, um an meine Telefonnummer zu kommen. Nicht dass ein falscher Eindruck entstand, von mir direkt wollte Rafael nada , nichts.
»Jule«, fragte er ohne Einleitung und ohne Entschuldigung für die frühe Störung. »Glaubst du, Verena würde mal mit mir essen gehen?« Ich erstarrte bei der Vorstellung eines Candle-Light-Dinners in einem mexikanischen Restaurant und sah Ralf mit einem Stirnband in den Landesfarben vor meinem geistigen Auge. Was Verena wohl zu diesem verführerischen Angebot sagen würde? Sie würde würgen, und sie würde mich erwürgen, wenn sie wüsste, dass ich da mit drin hing. Schnell musste ich ihm klarmachen, dass er sich Verena ganz gepflegt abschminken konnte. Ich glaubte, nur noch unappetitlicher als Ralf fand Verena einen Onkel zweiten Grades, der sie mal auf einer Familienfeier in der Garderobe geküsst hatte. Er trug zwar kein Stirnband, dafür aber Schnurrbart.
»Verena ist in festen Händen, weißt du«, begann ich mireine Ausrede auszudenken. Verenas »in festen Händen« hatte sich vor zwei Monaten von ihr getrennt, seitdem war sie zwar schon an einem Rendezvous interessiert, allerdings niemals mit Ralf.
»Das muss ja nichts bedeuten«, antwortete er verwegen. »Es kommt ja immer drauf an, was für Alternativen man hat.« Du sagst es!, dachte ich, räusperte mich und suchte krampfhaft nach Möglichkeiten, ihn abzuschütteln, und zwar in zweierlei Hinsicht. Er sollte zuerst mich und dann meine beste Freundin in Ruhe lassen.
»Verena ist wirklich sehr beschäftigt und viel auf Trab«, sagte ich vage.
»Das sieht man«, stieg er sofort begeistert darauf ein. »Sie hat eine klasse Figur und Feuer im Hintern. Genau das Richtige für Zumba!«
Kurz stockte ich und überlegte, ob wir wirklich von meiner Verena sprachen. Wenn ich mich recht erinnerte, sah Verena im großen Spiegel beim Rumgehüpfe ähnlich linksfüßig aus wie ich. Wie konnte es da angehen, dass er in ihr eine grazile, feurige Erscheinung sah und mich nur als plumpes Sprachrohr betrachtete? Einen leichten Stich verspürte ich, das Wort Eifersucht wäre vielleicht etwas übertrieben gewesen. Oh mein Gott, ich war tatsächlich neidisch darauf, dass der Volltrottel von Rafael meiner Freundin Verena Komplimente machte. Das war in etwa so, als wäre man eifersüchtig auf die neue Freundin von Lothar Matthäus.
»Frag sie doch einfach selbst«, schlug ich Ralf genervt vor. »Das ist ja wie im Kindergarten. Ich habe keine Lust, für dich zu vermitteln.«
»Ist ja okay, okay!«, machte er einen kleinen Rückzieher. »Ich sprech sie beim nächsten Zumba mal an.« Hoffentlich konnte ich Verena vorher verklickern, dass das nicht auf meinem Mist gewachsen war.
»Wenn du das wirklich machen willst«, gab ich ihm noch einen gutgemeinten Tipp mit auf den Weg, bevor ich auflegte, »solltest du ganz dringend
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