Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Millionärspaar Schneider gemeinsam die Tür. Beide mussten etwa Ende fünfzig sein. Als ich die perfekt zurechtgemachte Frau Schneider mit ihrer schmalen blauen Hose, der beigen Bluse, der zarten Kette und den gut frisierten Haaren sah, bekam ich prompt ein schlechtes Gewissen. Ich könnte auch mal wieder zur Maniküre und meinen straßenköterblonden Haaren das gewisse Etwas verpassen.
»Hallo, kommen Sie rein«, begrüßte uns Herr Schneider; ein Kumpeltyp, das sah man sofort an seinen strahlenden, freundlichen Augen, einer, der lieber ein Bierchen in der Kneipe zischte, anstatt Champagner auf einer Vernissage zu schlürfen. Er trug eine helle Hose und einen violetten V-Pullover. Ich war mir sicher, dass sie den Pulli für ihn ausgesucht hatte und dass er vor dem Millionengewinn nicht gewusst hatte was Violett überhaupt war. Gerne hätte ich die beiden in eine Zeitmaschine gesetzt, um zu sehen, in welcher Aufmachung sie uns vor dem Lottogewinn ihre Tür in Barmbek aufgemacht hätten.
»Ihren Sender hören wir wirklich gern«, plauderte Herr Schneider weiter. »Meine Skatkumpels finden ihn auch toll.« Unmerklich rümpfte Frau Schneider die Nase, weil sie offenbar fand, dass Skatkumpels nicht in ihr neues Leben passten.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf, weil ich gar nicht gewusst hätte, was ich nehmen sollte. Ein schnödes Wasser? Wahrscheinlich wurde das aus einem Spezialbrunnen geliefert, und die Flasche kostete so viel wie eine Woche Mallorca mit Halbpension.
Durch eine weite Eingangshalle mit warmen Terrakottafliesengingen wir ins Wohnzimmer. Hier hatte jemand guten Geschmack bei der Einrichtung bewiesen. Frau Schneider schien ein Händchen dafür zu haben. Wir setzten uns in eine helle, gemütliche Sofalandschaft direkt vor einen großen Kamin. Der Teppich, auf dem ich meine Füße parkte, war weich und flauschig.
Fasziniert betrachtete ich das Interieur , anders konnte man es nicht bezeichnen, das Wort Möbel hätte in dieser Umgebung geradezu asozial geklungen. Eine lange Holztafel stand direkt an der breiten Fensterfront, dort konnte man mit Blick auf den parkähnlichen Garten essen, nein dinieren . Ich traute mich kaum, etwas anzufassen, so picobello aufgeräumt war es hier. Sogar die Kissen auf dem Sofa waren akkurat im richtigen Winkel drapiert.
Daniel versuchte den Coolen zu spielen. Dass er angetan war, bemerkte ich daran, dass er die Klappe hielt. Dafür redete ich.
»Ich würde das Interview mit dem Mikro aufzeichnen und es später dann zu einem Beitrag zusammenschneiden.« Die Schneiders nickten. Wir saßen zu dritt auf der Couch, und ich hielt abwechselnd ihm und ihr das Mikrofon hin.
»Wie hat sich Ihr Leben denn verändert seit dem Gewinn?« Herr Schneider pustete tief durch.
»Alles hat sich verändert. Manchmal denke ich immer noch, ich träume. Wir haben vorher in einer kleinen Wohnung in Barmbek gewohnt, ich war Automechaniker und meine Frau Kosmetikerin, ach, das darf ich ja nicht sagen.«
»Visagistin!«, korrigierte sie ihn auch sofort mit einem beleidigten Unterton.
»Oder so. Dann hab ich gewonnen. Als der Lottobeauftragte vor der Tür stand, musste ich mich erst mal hinsetzen. Wahnsinn. All die Millionen, auf einmal. Vorher waren wir immer knapp bei Kasse.«
»Und was haben Sie zuerst gedacht?«, fragte ich nach.
»Ich hab an Urlaub gedacht. Ich weiß gar nicht, wie lange wirda nicht mehr richtig weg waren, deswegen hab ich an Urlaub gedacht. Zwei Wochen Spanien oder so.«
»Ich habe gleich an das Haus hier gedacht, in so einem wollte ich schon immer wohnen«, mischte sich Frau Schneider ein. »Das haben wir schnell gekauft, wirklich toll. Der Reitstall ist gleich um die Ecke. Zum Golf ist es nicht weit, und die Läden sind sehr exquisit.« Herr Schneider kratzte sich am Kopf.
»Ich hätte, glaube ich, nicht so schnell gekauft wie meine Frau. Mir ging das irgendwie zu holterdiepolter. Eben noch in Barmbek, und schwupps hier. Ich kannte hier auch niemanden.«
»Die Nachbarschaft ist sehr angenehm«, merkte Frau Schneider an. Sie sprach sehr langsam, und ich fragte mich, ob sie versuchte, absichtlich einen mondänen Tonfall anzuschlagen.
»Ich habe meiner Frau gesagt, sie kann gerne weiter arbeiten, man muss ja nicht von einem Tag auf den anderen aufhören, aber sie geht lieber selber zur Kosmetikerin, nicht, Liebling?«, sagte er neckend und stupste seine Frau liebevoll an. »Ich finde, wir haben uns das verdient, man muss das Leben
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