Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
genießen, wenn man die Chance hat.« Ich sah, wie Daniel nickte.
»Sind Sie denn noch manchmal in Barmbek in Ihrer alten Straße?«, stellte ich die nächste Frage.
»Nein, nie. Mein neues Leben spielt sich hier ab.« Frau Schneider warf ihrem Mann einen warnenden Blick zu, aber der ließ sich nicht abhalten und plauderte ungehemmt weiter.
»Ach, ich bin da noch oft. Mit den Nachbarn spiel ich einmal in der Woche Dart oder Skat. Die kommen nicht so gern hierher, ist ihnen zu schnieke, kann ich auch verstehen. Deswegen gehen wir da in unsere Stammkneipe, ins ›Barm-Quell‹.« Beide berichteten noch eine ganze Weile von all den Veränderungen und echten und falschen Freunden.
»Meine Schwester hat so oft angerufen wie vorher in zehn Jahren nicht. Da war ja klar, worum es ging«, erklärte Frau Schneider.
»Ich hab meiner Familie was abgegeben«, sagte er. »Gisela hat mich aber gestoppt, als ich meinen Freunden was leihen wollte.«
»Ha. Leihen? Du wolltest es alles verschenken. Du bist viel zu gutmütig.«
»Kann schon sein, macht aber nichts, Liebling. Du hast doch alles, oder?« Fröhlich lachte er sie an. Gisela nickte huldvoll und unnahbar. Die beiden passten überhaupt nicht zusammen.
»Sind Sie glücklich?«, wollte ich noch wissen.
»Och, das war ich vorher eigentlich auch schon«, sagte er.
»Doch, ich bin jetzt sehr glücklich«, meinte Frau Schneider, die bestimmt seit Jahren nicht mehr von Herzen gelacht hatte.
»Oh Gott, ich muss los«, bemerkte ich mit einem Blick auf die Uhr. Markus Röck von der Lottozentrale wartete.
»Ich auch«, rief Herr Schneider im selben Atemzug. »Ich muss zur Arbeit.« Er hatte erzählt, dass er einen Klempnerbetrieb übernommen hatte, als Geschäftsführer.
»Ich habe noch gar keine Fotos gemacht!« Zum ersten Mal machte Daniel den Mund auf.
»Sie können mich gerne noch fotografieren, junger Mann!«, sagte Frau Schneider und gefiel sich in der Rolle des reichen Models.
»Äh, ja, Bilder brauchen wir, aber ich muss wirklich zum nächsten Termin«, meinte ich.
»Vielleicht kann Herr Schneider dich im Wagen mitnehmen?«, fragte Daniel vorlaut, was mir sehr unangenehm war. Aber der Hausherr fand Fahrgemeinschaften offenbar ganz normal.
»Na klar nehm ich Sie mit. Wo müssen Sie hin?«
»In die City Nord.«
»Kein Problem, das liegt auf dem Weg, machen wir!« Frau Schneider runzelte die Stirn. Vielleicht wunderte sie sich darüber, dass die weit entfernte City Nord »auf dem Weg« zum Geschäft ihres Mannes an der Elbe liegen sollte.
»Du kannst die Fotos nachher gleich hochladen und die Internetredaktion informieren«, gab ich Daniel ein paar Anweisungen. Es war schon schlimm genug, dass er sich ein Glas Weißwein hatte servieren lassen.
»Mach ich!«
Ich schnappte mir meine Tasche und ging mit Herrn Schneider die Treppe hinunter über den Kiesweg zu seinem Auto.
»Meine Frau wollte unbedingt so noble Schlitten. Mir hätte auch mein alter Mercedes gereicht. Aber ich lass ihr ihren Spaß. Sie hat ihr Leben lang geschuftet.«
Ich hatte keine Ahnung, in welche Art von Auto ich mich eigentlich hineingleiten ließ, Ferrari, Porsche, Lamborghini? Egal, man saß schon nicht schlecht. Windschnittiges Teilchen und dann noch mit so einem bodenständigen Typen am Steuer. Das gefiel mir gut.
»Ich muss gar nicht zur Arbeit«, gestand er mir. »Ich fahre nach Barmbek zu meinen Freunden. Das sag ich ihr aber nicht immer, weil sie lieber hätte, dass ich mir hier neue Freunde suche. Das sagen Sie aber nicht im Radio, okay?« Ich nickte.
»Hier, schauen Sie mal, so sahen wir vor dem Lottogewinn aus.« Herr Schneider reichte mir ein altes Foto aus seinem Portemonnaie. »Darf sie auch nicht wissen, dass ich das noch habe.« Die beiden waren auf dem Bild etwa zehn Jahre jünger, Frau Schneider hatte zu blond gefärbte Haare, die am Ansatz dunkel waren, sie war etwas zu grell geschminkt und trug etwas zu bunte Kleidung, aber sie lachte. Er sowieso. Ich reichte es ihm lächelnd zurück.
»Da sehen Sie glücklich aus.«
»Ein bisschen verlottert, aber fröhlich«, bemerkte er nickend.
»Verdammt, ich Idiot, ich habe mein Mikrofon auf Ihrem Sofa vergessen«, stieß ich laut hervor, als wir über die Elbchaussee brausten.
»Macht nichts, holen wir ab.« Ich glaube, Herr Schneider warso gutmütig, dass er sogar einen Umweg über Frankfurt akzeptiert hätte. Bei der nächsten Ampel machte er einen U-Turn und bog kurze Zeit später wieder in die Kiesauffahrt ein.
»Laufen
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