Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Sie schnell hinten rum, die Terrassentür zum Wohnzimmer ist offen, da wo wir eben saßen.«
Stimmt, wir hatten da eben gesessen, dachte ich, als ich um die Ecke in den Garten bog. Daniel und Frau Schneider hingegen lagen. Auf dem Sofa. Sie im Negligé, er in einer samtenen Boxershorts. Noch. Sie zog ihn gerade hoch vom Sofa und dirigierte ihn in Richtung Treppe und in den oberen Bereich. Keines der Kissen lag mehr akkurat im richtigen Winkel. Ich war entsetzt. Wie schnell war das denn gegangen? Unser Volontär nutzte meine Abwesenheit, um sich an die Millionärsgattin ranzuschmeißen. Hatte er nicht zu Melanie noch gesagt, er stehe nicht auf Rentnerinnen? Und hatte ich ihn nicht eindringlich gewarnt, sich zusammenzureißen! Das nannte er also, sich zurückhalten. Vielleicht hat sie ihn aber auch verführt, kaum, dass wir zur Tür raus waren. So einen Liebhaber konnte man sich ja halten wie andere einen Hund. Warum ich das kleine Tête-à-Tête nicht platzen ließ und Daniel vor Frau Schneider nicht zur Schnecke machte? Weil ich es eilig hatte, weil ich sonst das Interview vielleicht nicht hätte verwenden dürfen, weil ich Herrn Schneider nicht kränken wollte und weil ich Daniel auf keinen Fall nackt sehen wollte. Und wer weiß, unter Umständen konnte ich das Gesehene irgendwann gegen ihn verwenden.
Ich schlüpfte ins Wohnzimmer und griff mir mein Mikro, das unter ein zerknautschtes Kissen gerutscht war.
»Sie hat ihr Leben lang geschuftet«, hatte Herr Schneider vorhin über seine Frau gesagt. Daran musste ich plötzlich denken. Und dass sie auch jetzt sehr hart schuftete. Das wollte ich dem armen Mann aber nicht verraten. Schnell rannte ich wieder zurück zum Auto, wo er geduldig auf mich wartete.
»Na, haben Sie Ihr Mikrofon?«, fragte der Millionen-Mann freundlich, als ich mit hochrotem Kopf wieder einstieg.
»Ja, ja, hab ich.« Unauffällig blickte ich zu den Fenstern im ersten Stock. Nicht, dass sich dort etwas Verräterisches tat. Erleichtert atmete ich auf, als wir wieder auf der Straße waren.
»Haben Sie die beiden noch gesehen?«, fragte er arglos.
»Ja, das habe ich.«
»Klappt alles mit den Fotos?«
»Äh, ja«, stammelte ich. »Sie suchen gerade nach einer, nun ja, geeigneten Location.«
Lächeln ist das Kleingeld
des Glücks.
Heinz Rühmann
Er schmiss mich raus, obwohl ich ewig mit ihm hätte weiterfahren können. Es war herrlich, den Fahrtwind im Haar zu spüren, und Herrn Schneider war es auch schnurzpiepegal, dass einige meiner Haarsträhnen nicht an der richtigen Stelle saßen. Er wäre gewiss auch in einer vierzig Jahre alten Ente zufrieden gewesen.
Zweimal war ich kurz davor, ihm zu beichten, was ich gesehen hatte. Seine Frau mit unserem Heißsporn-Volontär. Ich brachte es nicht übers Herz. Denn sein Herz schlug für seine Frau. Er liebte sie wirklich, glaubte ich, egal ob mit Cashmerepulli oder abgekauten Fingernägeln. Wer weiß, wie oft sie sich schon so ein kleines Auswärtsspiel gegönnt hatte. Vielleicht hatte er nebenbei auch etwas laufen. Wusste man ja nie. Leisten hätte er es sich können. Vom Aussehen und vom Kontostand her.
»Spielen Sie eigentlich noch Lotto?«, fragte ich, als er an einer Bushaltestelle hielt, um mich rauszulassen.
»Oh Gott, nein, nie wieder. Nicht noch so ein Gewinn, das halten meine Nerven nicht aus.«
»Danke fürs Mitnehmen«, rief ich ihm zu.
»Nichts zu danken. Und kommen Sie beide gerne noch mal vorbei, wenn Sie noch Fragen haben. Ich würde mich freuen.«
Ich winkte, nickte und dachte: »Du willst nicht wirklich, dass wir noch mal vorbeikommen.« Außerdem wünschte ich ihm, dass er schnell die Augen zumachte, wenn er am Abend ins Bett ging.
»Schlafen Sie eine Nacht drüber!« Markus Röck sagte diesen Satz nicht zum ersten Mal. »Das raten wir allen Lottogewinnern, in Ruhe drüber schlafen.«
Ich war gerade dabei gewesen, am Empfang der Lottozentrale meinen Namen zu nennen, da war Herr Röck schon hinter mir aufgetaucht und hatte mich in einen Kiosk um die Ecke eskortiert. Er bot mir einen Cappuccino an, ich lehnte ab.
»Sie trinken keinen Kaffee?«, fragte er amüsiert. »Wenn ich heute nicht schon zehn Tassen intus hätte, könnten Sie mich wegschmeißen. Ich wäre unausstehlich.«
Dass Markus Röck unausstehlich sein konnte, war in etwa so schwer vorzustellen wie Inka Bause oder Michelle Hunziker, die den Mittelfinger hoben und ihr Publikum bepöbelten.
»Wie kommen Sie denn auf Touren?«, fragte er mich.
»Wie bitte?«,
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