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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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Dotz in seinem Büro eifrig in die Hände klatschte und ein Konzept entwarf, wie man die Story würde weiterspinnen können. Besuch und Testessen im Currywurstwagen. Gewinnspiel und Verlosung von einer Woche Mittagstisch für eine Firma in ›Kaschis heißer Kiste‹. Wenn Dotz besonders gehässig war, würde er unseren überheblichen Volontär vielleicht eine Woche in die Wurstlehre schicken, damit dieser dann sein Leben lang den Geruch von Curry, Ketchup, Senf und Fett nicht mehr loswurde.
    »Hat Kaschi denn eine Vermutung, wer es gewesen sein könnte?«, fragte André weiter.
    Ich schüttelte erneut den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Allerdings, und das ist wirklich kurios: Ich habe ihn gebeten, den Wohnwagen genau zu inspizieren und nach einem kleinen Aufkleber zu suchen. Und tatsächlich: Am Schutzblech hinten klebte ein kleiner grüner Glücksklee.« In diesem Moment wachte André vollends aus seiner jahrelang eingeübten Schockstarre auf.
    »Ehrlich? Genau wie bei den Kinogutscheinen und dem Umschlag für den Kindergarten?« Ich nickte und fragte mich zugleich, ob ich mich komplett in André getäuscht hatte.
    Ich hätte schwören können, dass er bereits eine Sekunde nach Sendungsende sämtliche Themen seiner Show vergaß, inklusive meines und seines Namens. Hier bewies er das Gegenteil. Kaschi war ihm noch geläufig, und selbst die »Stoppelhopser« hatte er im Repertoire.
    »Ja, genau der gleiche Aufkleber. Wahnsinn, oder?«
    Ich wartete darauf, dass unser Top-Moderator mich entließ und die nächste Musik einspielte. Aber falsch gedacht. Stattdessen rekapitulierte André: »Nur damit die Hörer das richtig verstehen. Du bist auf der Suche nach dem neuesten Hamburger Lottogewinner, der anonym bleiben will, machst deshalb Berichte über Lottogewinner und solche, die es mal werden wollen.« Solch einen langen Satz hatte André noch nie eigenständig formuliert. Ich war beeindruckt. »Dann erzählst du von einer Kita, die eine Finanzspritze braucht, von einer Frau in deinem Sportclub, die sich von einem Lottogewinn einen Babysitter und einen Kinobesuch leisten würde. Und du besuchst Kaschi, dessen ›heiße Kiste‹ vor einiger Zeit abgebrannt ist. Und was passiert? Jedes Mal, nachdem du darüber im Radio berichtet hast, kommt eine geheime Fee und schüttet ihr Goldsäckchen über der jeweiligen Person aus! Lässt einen Glückskleeaufkleber zurück. Und keiner weiß, wer es war.« War alles einwandfrei wiedergegeben. André würde ab sofort keine vorgeschriebenen Texte mehr von mir bekommen, beschloss ich.
    »Genauso war es«, sagte ich. Ich schielte zur Uhr, befürchtete, dass wir längst die strikt festgelegte Sendezeit überschritten hatten. Aber das konnte André nicht abhalten, weiter nachzuhaken. Er ließ mich noch nicht von der Angel, würde Motz später feststellen.
    »Ich komme nur zu einer Lösung«, beendete André seinen Monolog. »Könnte es sein, dass du der Glücksbringer bist?«
    Ich starrte ihn entgeistert an, so als habe er gerade behauptet, ich und nicht Monika Lewinsky sei die Geliebte von Bill Clinton gewesen.
    »Na, klar!«, erwiderte ich mit ironischem Unterton. »Ich habe ja auch den Lottojackpot geknackt, und mit dem Geld mache ich heimlich Wünsche wahr.« Eine Sache, die ich leider vergessen hatte: Im Radio funktionierte viel. Fröhlichkeit, Schleimerei,Freundlichkeit, Arroganz, Lügen und Gerüchte funktionierten sogar ganz wunderbar, aber keine Ironie. Niemals! Das lernte man gleich zu Beginn seiner Laufbahn als Radiojournalist, und es sollte mir jetzt zum Verhängnis werden.
    »Das ist ja total irre!«, antwortete André kopfschüttelnd und beinahe ehrfürchtig. Immer noch waren wir live on air. »Du bist also die anonyme Glücksbringerin und hast die Millionen auf dem Konto. Und trotzdem arbeitest du hier, als wenn nichts wäre?«
    Ich wollte gerade protestieren und sagen, dass das alles nur Spaß war, ein großes Missverständnis, aber André hatte mir den Hahn, sprich mein Mikrofon, schon zugedreht. Zurück blieben Zehntausende Hörer, die dachten, ich sei die Lottogewinnerin, nach der ich seit Tagen suchte. Ich suchte mich also sozusagen selbst. Wie bescheuert war das denn! Ich versuchte zu retten, was noch zu retten war.
    »Sag mal, spinnst du? Was erzählst du denn da?«
    »Wieso?« André verstand die Aufregung nicht. »Du hast es doch selbst erzählt.«
    »Das war ein Spaß.« Niemals hätte ich gedacht, dass man meine Ironie nicht sofort verstehen würde. Ich hätte mich

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