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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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gerade gesagt.
    »Was ist toll?«, fragte ich nicht ganz uneigennützig nach.
    »Na ja«, antwortete Dotz. »Dass ich auf die geniale Idee mit den Lottogewinnern gekommen bin. Ich habe einfach einen Riecher für Storys. Diese Sache mit ›Kaschis heißer Kiste‹ kann uns einen Riesennamen machen, wenn Sie da dranbleiben!« Hatte er gesagt, dass ich auf die geniale Idee gekommen bin? Wenn man sehr viel Interpretationsspielraum zuließ, dann konnte dieses erbärmliche Eigenlob von Dotz doch auch den Hauch einer Anerkennung für meine Arbeit beinhalten, oder? Aber wie hatte mein Deutschlehrer schon immer gesagt? Du sollst nicht interpretieren, Jule, halte dich an die Fakten!
    Peinlich? Nein, das wäre nicht das richtige Wort. Erbärmlich? Vielleicht ein wenig. Erniedrigend? Ja, das war es. Ich fühlte mich erniedrigt, als ich bei dem Kollegen der ›Morgenpost‹ anrief, um nach Kaschis neuer Handynummer zu fragen. Selbstverständlich hatte ich zuvor alles getan, um genau diesen Schritt umgehen zu können. Einen Redakteur der Konkurrenz um Informationen zu bitten, die man eigentlich lange vor ihm hätte haben müssen, war wirklich das Allerletzte für eine Journalistenseele. Ich hatte sogar die knapp zwanzig Euro für ein Taxi springen lassen, umDaniel zum Hinterhof auf St. Pauli zu jagen, damit er dort Kaschi und dessen neues Handy ortete. Ausgerechnet der! Ich selbst musste leider auf einer langweiligen Konferenz ausharren zum Thema »Neue Strukturen und bessere Zusammenarbeit im Redaktionsschreibsystem«, nachdem es neulich fatalerweise beinahe zu einem Eklat gekommen wäre, weil uns bei einem Gewinnspiel plötzlich die Telefonnummern der Quizteilnehmer fehlten. Irgendjemand hatte sie, anstatt sie im Schreibsystem auf ewig festzuhalten, auf einen stinknormalen Zettel geschrieben, der daraufhin im stinknormalen Papierkorb gelandet war.
    Der Vortrag des Systemadministrators war so zum Gähnen, dass, wie immer nach solchen Konferenzen, beschlossen wurde, das Ganze in einem zehnseitigen Schreiben zusammenzufassen, damit wir es dann nächstes Mal würden besser machen können. Den Spruch hatte ich allein in meiner kurzen Zeit beim Sender schon an die acht Mal gehört. Als ich den Sitzungssaal verließ, war ich mir sicher, dass es kaum eine Gelegenheit gab, eineinhalb Stunden mit weniger Ergebnissen abzuschließen. Ich hatte mich getäuscht.
    Daniel kam von seiner Expedition »Kaschi« mit exakt null Ergebnissen zurück. Kein Kaschi, keine Handynummer, der Trottel hatte nicht mal den Hinterhof gefunden.
    »Da war nur die Currywurstbude direkt auf der Reeperbahn, aber da war dieser Kaschi nicht.«
    »Hat irgendjemand gesagt, du sollst zur Wurstbude auf der Reeperbahn?« Gerade eben so konnte ich meinen Zorn noch im Zaum halten und warf ihm nicht vor, nur auf einen besseren Blick auf die Prostituierten vor der Davidwache aus gewesen zu sein. Es hätte nicht mehr lange gedauert, und ich hätte ihm in meiner Wut noch voreilig die Wohnzimmeraffäre serviert.
    »Du hast was von Wurstwohnwagen gesagt.« Daniel checkte seine E-Mails auf dem Handy, während er mit mir sprach. Er war nicht die Spur zerknirscht. Den Rechercheauftrag hatte er schonlängst als netten Ausflug zur Reeperbahn abgelegt. Seinen unreifen Freunden würde er am Abend stolz erzählen, dass sein Chef ihn sogar an die ganz schweren Fälle im Rotlichtmilieu ranließ. Da wollte ich lieber nicht Mäuschen spielen.
    »Also, zusammengefasst, du hast gar nix auf die Reihe gebracht?«
    »Na ja, ich hab mir von dem Geld, das du mir gegeben hast, eine Currywurst gekauft!« Er fand offenbar, dass das ein selbstverständlicher Lohn war für so eine verantwortungsvolle Aufgabe.
    »Ach, vergiss es.«
    Und so wählte ich widerstrebend die Nummer des Autors Thomas Christen bei der ›Morgenpost‹ und versuchte, meiner Stimme eine gewisse Überheblichkeit zu verleihen.
    »Hier ist Jule Claussen von der ›Elbe-Welle‹. Herr Christen? Sie haben doch die Geschichte über Lotto-Kaschi geschrieben, oder?« Beinahe hätte ich abgeschrieben gesagt. Schließlich hatte ich die ganze Story ausgegraben.
    Wie so häufig wallte Ärger in mir auf. Wenn ich mich erst einmal völlig irrational in etwas hineingesteigert hatte, häufte ich die kleinen ärgerlichen Punkte alle zu einem großen Wutberg an und verlor die Dimensionen. Dieser blöde Redakteur der ›Mopo‹ hatte doch überhaupt keine Ahnung, was mir diese ganze Geschichte bedeutete.
    Er wusste nicht, dass Kaschi ein alter Freund

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