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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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spürte Verenas Blick wie einen Dolch in meinem Rücken. Ihr fehlten zwanzig Euro, mir eine strapazierfähige Blase. So hatten wir alle unsere Probleme.
    Im zweiten Anlauf fand ich die richtige Tür und drückte die Klinke herunter. Die Gästetoilette war im maritimen Stil gehalten, wie bei so vielen, die sich an ihren Küchentischen im trüben Hamburg nach der sonnigen Küste Krks oder von Port d’Andratx sehnten, auch wenn sie ihre Traumorte kaum aussprechen konnten. Dieses Interieur (auch hier konnte man Begriffe wie Einrichtung oder ähnlich Banales nicht gebrauchen) hatte jedoch eine besondere Note. Nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Muscheln auf dem Fenstersims, Sand in einer Glasvitrine und Seesterne als Kleiderhaken begrüßten mich, sondern außerdem ein lebendiges Stück, eingetaucht in H 2 O.
    Auf dem Waschbecken thronte ein Wasserglas, in dem ein Goldfisch schwamm. Nein, nicht etwa so ein erwartbares, bauchiges, leer gegessenes Gurkenglas als Aquarium, sondern das kleinstmöglich denkbare Glasgefäß. Der Fisch konnte sich kaum ausstrecken und schwamm träge seine Runden in dem glasklaren Wasser vor einer blau gefärbten Fliese. Wenn man auf der Toilette sitzend im richtigen Winkel in Richtung Waschbecken starrte, sah es so aus, als würde der Goldfisch im Grand Bleu versinken.
    Vielen würde jetzt der Fisch leidtun, der in seinem eingeengten Lebensraum weniger Platz hatte als einst der Becker und die Ermakova in der Besenkammer. Aber so ein stylishes Fisch-im-Glas-Kunstwerk hatten die meisten sicherlich noch nie gesehen und würden Bauklötze staunen. Ich hingegen hatte genau das schon einmal gesehen, auch aus genau dem Winkel, den ich gerade eingenommen hatte. Nachdenklich ging ich zurück ins Schlafzimmer.
    »Wirklich, Sie haben hundertzwanzig gesagt!«
    »Nein, hundertvierzig!« Die beiden waren immer noch keinen Schritt weitergekommen.
    »Der arme Fisch. Der guckt ja die ganze Zeit nur aufs Klo und hat überhaupt keinen Freiraum«, grätschte ich in den Dialog. Verena und Lea zuzuhören war, wie einer Platte mit Sprung zu lauschen. Und mich selbst zu hören irgendwie auch. Ich hatte das Gefühl, genau diese Wörter schon einmal gesagt zu haben. Wäre ich nicht Verenas beste Freundin gewesen, hätte sie mich sicher liebend gern entmündigt oder dem Goldfisch zum Fraß vorgeworfen.
    »Nein, Goldfische haben ein Gedächtnis von nur drei Sekunden. Bei jedem Umrunden des Glases machen sie neue Erfahrungen.« Die Erklärung kam von der Schlafzimmertür. Die Antwort hatte ich genauso schon einmal gehört. Der Antwortgeber war ein Enddreißiger, der in der Tür lehnte. Ihn hatte ich in genau der Position auch schon einmal gesehen. Max! Wie die Blitze eines Gewitters schossen mir in schneller Abfolge die Bilder meines bisher einzigen und desaströsen One-Night-Stand in den Kopf.
    Genau mit diesem Mann hatte ich schon einmal in genau dieser Wohnung in einer hellblauen Küche in der Senkrechten Kaffee getrunken, um danach in einem hellen Rattanbett in die Waagerechte zu wechseln. Seine Frau hatte ihre Eltern in Bayern besucht und er freie Fahrt. Wir hatten uns in einer Bar kennengelernt, er sehr verzweifelt ob seiner »sehr zickigen« Frau und ich irgendwie stolz darauf, dass ich mit über dreißig endlich den Punkt One-Night-Stand auf meiner To-do-Liste würde abhaken können. Im Nachhinein konnte ich sagen, dass die Nummer ganz okay war, der Kaffee zu kräftig, der Kerl zu schwach, und das Bett hatte bei jeder Bewegung geknarzt. Alles in allem eine Drei plus vielleicht, wozu ich ganz eindeutig meinen ungelenken Beitrag geleistet hatte.
    Deshalb also der Verkauf.
    »Das Ding ist die hundertvierzig Euro nicht wert«, warf ich Verena zu.
    »Woher willst du das wissen?«, fragten mich drei Stimmen.
    »Äh, sieht ein wenig instabil aus.« Ich konnte schlecht sagen, dass ich das Objekt am eigenen Leibe getestet hatte.
    »Finde ich nicht. Hast du nun zwanzig Euro, die du mir leihen kannst?«
    »Nein, immer noch nicht!« Ich hatte mich mit dem Rücken zur Tür gedreht, weil ich nicht wusste, ob Max mich wiedererkennen würde.
    Carl hatte damals geschimpft, ich hätte mit seinem Spezial-»Würz«-Mix einen bleibenden Eindruck bei diesem Mann hinterlassen können. Aber ich schleppte ja nicht zu jeder Gelegenheit Aphrodisiaka mit mir herum. Außerdem, vielleicht kam es mir jetzt zugute, wenn mich der Gute nicht mehr erkannte.
    »Mann, kannst du nicht schnell was abheben?«, flehte mich Verena an.
    »Ich habe

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