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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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kramte umständlich in den Innentaschen und legte einen kleinen Briefumschlag auf die einzige freie Fläche neben der Kasse.
    Carl öffnete den Umschlag und zog ein winziges Stück Papier hervor, das ich aus meiner Position nicht erkennen konnte. »Na, komm schon her und guck dir das an!«, rief Carl in meine Richtung, und ich schälte mich peinlich berührt aus meinem Versteck hervor.
    »Ein Glückskleeaufkleber!«, stammelte ich anstelle eines Grußes.
    »Richtig!« Auch Carl war baff. Dass er der geheime Samariter war, fiel nun flach, es sei denn, er hatte das alles inszeniert, um mich auf die falsche Fährte zu locken.
    »Das glaub ich nicht«, entfuhr es mir. Carl strich sich über seinen Bart, blickte sich im Laden um, so als würde er ihn zum ersten Mal, mit den Augen eines Fremden, sehen. Wieder ging die Ladenglocke.
    »Ich störe ungern.« Maria Resche nahm ihre gewohnte Position in der Tür ein.
    »Was gibt es denn?« Carl bemühte sich, nicht zu unhöflich zu wirken, aber innerlich stöhnte er bestimmt. Die Meckertante vom Dienst. Was stimmte wohl diesmal nicht mit dem Haus?Nach den abbröckelnden Wänden und dem überschwemmten Keller hatte sie vielleicht eine Spinne entdeckt.
    »Der Wasserhahn in der Badewanne tropft. Wann soll das gemacht werden?« Carl warf Frau Resche einen undefinierbaren Blick zu, angesiedelt irgendwo zwischen Genervtheit, Unverständnis und Mitleid.
    »Bald wird es nichts mehr zu motzen geben. Ein Bauunternehmen kümmert sich drum.« Carl wies stolz mit der rechten Hand auf die beiden Anzugmänner, und Maria Resche klappte prompt das Kinn nach unten.
    »Oh. Ach so. Na, dann is ja gut«, entfuhr es ihr nur.
    Ich fragte mich, ob es Carl Spaß machte, die Resche so aus der Fassung zu bringen. Und ob sie endlich Ruhe geben würde, wenn das ganze Haus picobello saniert wäre. Ihr größtes Hobby, Carl zur Verzweiflung zu bringen, würde dann wegfallen. Daran müsste sie sich in ihrem Alter auch erst einmal gewöhnen und nach Alternativen wie Dänisch für Anfänger oder Makramee in der Toskana suchen.
    Carl tangierte das wenig, er tat etwas, was er meines Wissens in den vergangenen zwanzig Jahren noch nie getan hatte. Er schloss seinen Laden am helllichten Tag und ging Kaffee trinken.
    »Meine Herren, lassen Sie uns gerne die Einzelheiten im ›Piazza‹ besprechen!«
    Völlig überrumpelt von den Ereignissen der vergangenen zehn Minuten ging ich fröhlich pfeifend die Treppe hinauf. Pro Treppenstufe schoss mir ein neuer Gedanke in den Kopf.
    Konnte es wirklich möglich sein, dass ein Samariter, und sei er auch noch so reich, so viel Geld in die Hand nahm, um ein ganzes Haus zu sanieren, ohne dabei selbst Gewinn zu machen?
    Würde es tatsächlich bei den alten Mieten bleiben, oder übersah Carl einen Fallstrick?
    Zogen ihn die beiden Baulöwen im »Piazza« gerade über den rot-weiß karierten Tisch?
    Müsste ich sofort in den Sender flitzen, um Dotz über den neuesten Glückskleeaufkleber zu informieren?
    Ich zögerte, wollte nichts Falsches machen, solange ich kein grünes Licht von Carl hatte. Andererseits würde mein Radiochef ausflippen, wenn die Zeitung mal wieder schneller wäre und rauskäme, dass ich als Zeugin direkt daneben gestanden hatte.
    Ich wog alle Für und Wider ab und beschloss, mich in Geduld zu üben. Meine leichteste Übung.
    »Alles kommt zu dem von selbst, der warten kann«, lautete ein Sprichwort, das ich so gerne beherzigt hätte. Leider war ich die Ungeduld in Person. Apropos. Markus Röck hatte mir immer noch nicht geantwortet, die WhatsApp immer noch nicht gelesen. Das erschien mir mehr als merkwürdig. Ich fantasierte mir die dubiosesten Erklärungen zusammen, wie es dazu kommen konnte, dass man stundenlang sein Handy nicht checkte. Panisch fiel mir ein, dass es vielleicht an der Aufplopp-Funktion lag.
    Einige hatten sich ihren WhatsApp-Account so eingerichtet, dass eine eingehende Nachricht direkt auf dem Display aufploppte. Las man sie nur in diesem Feld, galt das, soweit ich wusste, nicht als Einloggen. Sollte Markus die Aufplopp-Funktion haben, hätte er die WhatsApp also lesen, mich aber zugleich glauben machen können, er habe dies nicht getan; und zwar aus mehreren möglichen Gründen. Diese einzeln aufzulisten erschien mir viel zu anstrengend und selbstzerstörerisch. Ich brach den konfusen, destruktiven Gedankengang an dieser Stelle – ganz unweiblich – ab. Stattdessen würde ich mich an den Computer setzen und eine Doktorarbeit über die

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