Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
der Hausflur müssen zunächst genau kontrolliert werden. Danke, lieber Spender«, flüsterte er noch. Frau Resche und Bonny trollten sich. Trotz meines verheulten Gesichts und der melancholischen Miststimmung wurde ich geschäftig.
»Darf ich im Radio erzählen, dass der Glücksklee bei dir zugeschlagen hat? Ich bekomme einen Megaärger, wenn ich es nicht mache. Wehe, es steht morgen in der Zeitung.«
»Mach ruhig. Ist ja kein Geheimnis.«
Ich sprintete los zum Leihwagen, den ich noch bis zum Abend behalten durfte.
»Moment. Eine Sache noch, Jule. Eins finde ich merkwürdig.« Ich drehte mich um und wartete darauf, dass er fortfuhr.
»Was denn?«, wollte ich wissen.
»Na ja, dieser neue, echte Markus Röck. Wieso will der dir Finanztipps geben, wenn er doch als Lottomitarbeiter wissen müsste, dass du den Jackpot gar nicht geknackt hast?«
Ich sagte es ja immer. Frauen in meiner Gemütslage sollten sich um jeden Preis einen Mann mit Durchblick halten.
»Ich hab die Story!«, rief ich Dotz zu, als ich den Sender enterte, und kam mir vor wie ein Klatschreporter aus den Sechzigern.
»Sie wissen, wer der Samariter ist?« Der Begriff »Samariter« war inzwischen in unseren festen Wortschatz übergegangen. Bei genauerem Nachdenken war es mir geradezu peinlich, einen so geschichtlich-biblisch besetzten Titel zu klauen und zu entfremden.
»Nein, ich weiß nicht, wer es ist.« Mir gefiel, dass Dotz geradezu hinter mir hergeeilt war, nun aber ob meiner negativen Antwort abbremste. »Er hat aber wieder jemanden beglückt.« Als ich das Wort beglückt aussprach, hatte ich plötzlich einen Kloß im Hals. Konnte man von Glück sprechen, nur, weil man Geld bekam?
»Wo hat das Glück denn diesmal zugeschlagen?«, fragte Dotz.
»Bei meinem Vermieter, dem der Gewürzladen gehört, das ›Würz‹. Ein Bautrupp wurde finanziert, die werden alles aufmöbeln.«
»Bei Ihnen im Haus, sagen Sie?«
Ich nickte ungeduldig. »Sag ich doch!«
»Claussen, Claussen, sehr unauffällig. Nun ja. Ich sage Melanie, dass Sie mit der Geschichte gleich on air gehen.« Ich wollte mich umdrehen und meiner Arbeit nachgehen, als Dotz noch nachhakte: »Und, haben Sie mal überlegt, wäre der Radiopreis was für Sie?«
»Na, klar!« Hektisch schaute ich mich auf dem Flur um, ob uns jemand beobachtete oder belauschte.
»Vielleicht könnte ich Ihnen sogar Autogrammkarten besorgen. Aber dann liefern Sie endlich etwas Konkretes, wenn Sie es nicht selbst sind. Ich will: einen Namen! « Er malte ein großes Ausrufezeichen in die Luft.
Nach meinem Auftritt in der Mittagsshow tauchte Redaktionsleiter Dotz im Großraumbüro auf und schnipste mich zu sich heran.
»Den Typen, der das große Geld von der Baufirma bekommt, will ich im Interview. Das soll er selber erzählen. Ich hoffe, er klingt schön gebrechlich und tränenerstickt.« So stellte er sich meinen Carl also vor. Von der Presse zum debilen Halbtoten degradiert.
Ich sagte ihm ein Interview zu, überlegte aber, ob ich Carl überhaupt so sehr in die Öffentlichkeit ziehen wollte.
»Ich will aber wissen, wieso!«, nuschelte ich wenig später hinter meinem Computer versteckt. Ich würde Markus Röck (den jungen, den falschen) anrufen und direkt damit konfrontieren, dass sein Schwindel aufgeflogen war. Mal sehen, wie er reagierte.
Nach einem kurzen Blick auf mein Handy und die WhatsApp-Nachrichten – nein, immer noch nicht eingeloggt – tippte ich Markus Röcks Nummer (oder wie immer der Kerl in echt heißen mochte) in das Sendertelefon. Mein Herzklopfen übertönte das Freizeichen. Reiß dich zusammen, Jule. Geh diplomatisch vor, schärfte ich mir ein. Rück nicht gleich raus mit allem, greif ihn nicht an, und vor allem gib dich cool, so als sei dir die Sache nicht einen Pfifferling wert.
»Röck!«, meldete sich die Stimme, die ich in meiner Gegenwart schon so oft lachen gehört hatte.
»So heißt du gar nicht!«, blaffte ich ihn beleidigt an.
»Wie bitte? Wer ist denn da?«
»Hier ist Jule. Und ich heiße wirklich so.«
»Ach, hallo Jule. Nett, dass du anrufst.« Der falsche Markus sprach distanziert. Er wusste wahrscheinlich, was ihm blühte. Nein. Falsch. Als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, hatte ich ihn wegen Ulf links liegen lassen. Kein Wunder, dass er vor Freude nicht überschäumte. »Was meinst du mit: so heiße ich gar nicht?« Ich wusste, ich hatte mir eine andere Taktik zurechtgelegt, hatte mich zurückhalten wollen, aber das lag mir so gar nicht.
»Wie heißt du
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