Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
dort wohl sein mochte. »Zweitens: Ja, wir können von mir aus was zusammen essen gehen. Morgen bin ich wieder in Hamburg.« Er machte eine Pause.
»Und drittens?« Mutig fragte ich nach.
»Drittens: Du solltest nicht so viel arbeiten.« Nach allem, was ich ihm schon an den Kopf geworfen hatte von wegen Scheinidentität und Ähnlichem wäre es unklug gewesen, wieder beleidigt zu tun. Ich hatte gehofft, drittens wäre irgendetwas Nettes. Oder ein Hinweis darauf, mit wem er sich in London herumtrieb.
»Okay, mal sehen«, gab ich zerknirscht zu. Dann legten wir auf.
Die gute Nachricht war, dass er überhaupt noch mit mir sprach. Und richtig sauer hatte er auch nicht geklungen. Die schlechte Nachricht: Ich war verwirrter denn je. Wenn Markus Röck nun doch wieder Markus Röck war, wer war dann der andere?
Die Liebe ist das Gewürz des Lebens.
Sie kann es versüßen, aber auch versalzen.
Konfuzius
Ich musste mich irren. Dies konnte nicht der richtige Laden sein. Doch, es war das »Würz«. Einen Tag nicht da gewesen, und schon stand kein Stein mehr auf dem anderen. Die Handwerker waren richtig auf Trab.
Normalerweise lief es doch so, dass man kurz nach der Hochzeit Maler- oder Tischlerarbeiten fürs Kinderzimmer in Auftrag gab und dann froh sein konnte, wenn das Gitterbett noch vor dem Abi stand. Dieser Renovierungstrupp bewies, dass es auch anders ging.
»Carl, die haben ja alles rausgerissen!« Ich war entsetzt, dass kein Regal, kein Teesack und vor allem keine Kakaodose mehr dort stand, wo sie mal war.
»Herrlich, oder?« Carl schienen die Veränderungen weniger zu stören als mich. »Im Haus müssen sie noch einiges berechnen. Aber hier im Laden haben sie gestern gleich angefangen.«
»Und wo sind alle Gewürze hin?« Träge hielt ich meinen Liter Milch in der Hand und blickte mich suchend nach meinen alten Bekannten um. Es war wie Freunde zu verlieren, die man über die Jahre lieb gewonnen hatte.
»Alle eingelagert. Kommen wieder! Kakaotrinken klappt heute nicht. Geh mal ein Stück weg.«
Zwei Arbeiter schoben uns ein wenig zur Seite, um eine große Plane auszulegen. Der Raum war so gut wie leer. Lediglich der große Apothekerschrank stand noch an seiner Stelle. Er wurdejetzt in Folie eingehüllt, damit er keine Farbe abbekam. Auch unsere Sitzgelegenheiten waren verschwunden. Der durchgesessene Sessel und mein …
»Wo ist meine Orangenkiste?« Ich wusste, dass ich hysterisch klang.
»Wie findest du diesen Ockerton, Jule?« Carl beantwortete meine Frage nach der Orangenkiste nicht, sondern hielt mir eine Farbpalette unter die Nase. Der Mann, der jahrzehntelang nichts in seinem Leben geändert hatte (bis auf die Zahnbürste, hoffentlich), entdeckte justament sein Einrichtungsgen.
»Finde ich ganz gut, die Farbe. Erinnert mich an den Schuhladen drüben.« Gerade eben hatte ich im Schaufenster noch ein paar schlammfarbene Sandalen entdeckt, mit denen man sicherlich perfekt durch die Karibik marschieren konnte. Aber Carl wollte doch nie so sein wie die anderen. Weder wie die anderen Menschen noch wie die anderen Läden. Sein Sinneswandel irritierte mich zutiefst, aber ich beschloss, mich einfach für ihn zu freuen und mitzumischen.
»Ein bisschen mehr ins Bräunliche fänd ich gut. Oder, warte, ich habe eine andere Idee. Wie wäre es mit Gewürzfarben?«
»Wie meinst du das?« Carl hob einen Spachtel auf und reichte ihn einem der Arbeiter. Morgen würde er vermutlich schon selbst im Blaumann herumlaufen.
»Na ja, in einer Ecke so ein Currygelb, dann Paprikarot, Pfefferbraun …« Der Besitzer des »Würz« winkte einen seiner neuen Kumpel heran.
»Sag mal, Henning. Kann man auch Gewürze an die Wand malen? Jule hat so eine komische Idee, die ich großartig finde.«
»Heutzutage kann man alles, Carl.«
Während ich die vergangene Nacht durchgeheult hatte, wegen Markus und wegen Ulf und wegen allem, hatte Carl neue Kumpels gefunden.
»In der Farb-Wischtechnik ist vieles möglich. Es gibt sogareine Kaffee-Wischtechnik, das sieht klasse aus. Kaffeesatz mit Wasser gemischt, hört sich verrückt an, geht aber.«
Carl und ich sahen uns eine Zehntelsekunde an und sprachen wie aus einem Munde: »Kaffee? Geht das auch mit Kakao?« Wir lachten in dem Moment los, als die Frage raus war. Henning schüttelte irritiert den Kopf.
»Kakao? Wie kommt ihr denn da drauf? Na, ich seh mal zu, was ich machen kann.« Als er sich umdrehte und auf eine mit Farbe bekleckste Leiter stieg, dachte er bestimmt, dass diese
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