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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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extravagante Tussi hingehen sollte, wo der Pfeffer wächst.
    »Ich habe übrigens den ganzen Schrank ausgeräumt. Die halbe Nacht habe ich im Laden gesessen.«
    »Warum hast du denn nicht Bescheid gesagt, ich hätte dir doch helfen können.« Stattdessen hatte ich mich und meine Tränen im Bett hin und her gewälzt.
    »Ach, nein, du hast ja momentan genug andere Sachen im Kopf.«
    »Und was hast du so entdeckt? Liebesbriefe von vor achtzig Jahren?«, fragte ich neckend.
    »Na ja, so ähnlich.« Carl klang ernst und nicht ganz so schelmisch wie ich. »Viele alte Fotos waren dabei. Auch welche, die dich vielleicht interessieren könnten. Von deiner Mutter und so. Möchtest du die haben?«
    Plötzlich wurde mir flau im Magen. Die Vorstellung, dass in Carls alter Schublade jahrelang Fotos meiner Mutter gelagert hatten, die ich noch nicht kannte, brachte mich aus der Fassung. Carl holte aus einem letzten nicht mit Plane verschweißten Winkel eine dicke Fototüte hervor und reichte sie mir.
    »Sieh sie dir irgendwann an, Julchen. Sie sieht dir so ähnlich. Es ist verblüffend.«
    Ich nahm die Fotos und stopfte sie in meinen Lederbeutel. Mir war noch nicht danach, alte Wunden aufzureißen. In meinerWohnung hatte ich auch nur ein Foto von Mama stehen, und das sehr versteckt im Wohnzimmer hinter einem Buch. So gar keinen Verwandten zu haben war sehr schmerzhaft.
    »Danke. Ich schau sie mir später an«, sagte ich mit belegter Stimme. Ich fuhr betont gutgelaunt fort: »Also, hier Paprika an die Wand. Davor stellst du die Paprikasäcke. Da hinten Kakao, davor die passenden Dosen. Und die Decke wird, lass mal überlegen, vielleicht lavendelfarben. Und von oben lässt du Lavendelsträuße herabbaumeln.« Carl runzelte die Stirn, er war sich noch nicht sicher, ob ihm dieser Farbmix zusagte.
    »Das soll hier ja keine Villa Kunterbunt werden«, sagte er nur.
    »Wieso nicht? Du willst doch anders sein als die anderen.«
    »Ja, schon, aber Lavendel von der Decke?«
    »Du kannst es dir ja überlegen. Schläfst mal eine Nacht drüber. Wenn du dazu kommst. Ach, weswegen ich überhaupt hier bin. Würdest du mir ein kleines Interview geben?« Ich wedelte mit dem Mikrofon vor seiner Nase, das ich aus der Tasche gezogen hatte. »Dotz will unbedingt, dass du ein paar Worte zum Glücksklee sagst, sonst bin ich unten durch und darf vielleicht nicht zum Radiopreis.« Als Carl merkte, dass sich der Frequenzbereich meiner Stimme dramatisch nach oben verschob, nickte er.
    »Ja, leg los. Was soll ich sagen?«
    Er sprach zum ersten Mal in mein Mikrofon. Carl hatte ich noch nie als Umfrageopfer missbraucht, das hatte bisher Verena mit Bravour erledigt. Nun erklärte er also auf seine alten Tage in ein paar lustigen Sätzen, wie farbenfroh er das »Würz« gestalten ließ. Er endete mit der Kakao-Wischtechnik-Pointe. Perfekt.
    Gerührt wollte ich ihn umarmen, um mich zu bedanken, bemerkte aber, dass dies wirklich zu viel des Guten gewesen wäre. So oft wie wir uns in den vergangenen Tagen in den Armen gelegen hatten. Ich verließ winkend das »Würz«, unterm Arm die Tüte Milch, in der anderen Hand die Tasche mit den Fotos.
    Beides legte ich in meiner Wohnung ab, bevor ich mich aufs Rad schwang, um im Sender das Interview mit Carl zu bearbeiten.
    Unser Volontär Daniel war gerade im Studio, als ich eintraf, und durfte dort zum ersten Mal ans Mikrofon. Genau wie Carl. Es ging um Freizeitmöglichkeiten fürs Wochenende.
    »Man kann viel machen, Stadtpark, Alster, Elbe, Kino.« Er zählte die üblichen verdächtigen Aktivitäten auf. Gähn.
    »Kommt immer drauf an, wie viel Geld man zur Verfügung hat. Unsere Jackpotkollegin Jule Claussen beispielsweise könnte auch mal eben übers Wochenende auf die Fidschi-Inseln jetten.«
    Daniel und André amüsierten sich on air königlich. Wie kam der Kerl dazu, auf meine Kosten Witze zu machen? Ich stand starr in der Redaktion und spürte Melanies mitleidigen Blick.
    »Ich werde ihm gleich eine Abreibung verpassen, keine Sorge!«, meinte sie.
    »Das werde ich selber auch noch!«
    Wie unter Strom wartete ich darauf, dass Daniel nach dem Talk aus dem Studio herauskäme. Er dachte aber gar nicht daran, sondern plauderte noch ganz kumpelmäßig mit André. Dem, vermutete ich, erzählte unser Wichtigtuer-Volontär gerade, dass er auch mal ein ganz Großer werden würde, irgendwann mal »Wetten, dass ..?« moderieren wolle oder erst einmal klein anfangen mit den »Tagesthemen«.
    Nervös ließ ich die Finger meiner

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