Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
sicher alles brühwarm zu Hause erzählt haben. Dann die Mitarbeiter bei Fagus. Ist schon erstaunlich, dass die Presse noch keinen Wind davon bekommen hat.“
„Ob das dem Täter gefällt oder ob es ihn ärgert?“, fragte sich Markus.
Es klopfte an der Tür, obwohl sie offen stand.
„Hi, Sina, hast du was für uns?“
Die junge Polizistin sah skeptisch aus. „Es gibt da eine Leiche.“
Was für ein Satz für eine Polizistin. Es gibt da eine Leiche. Hatte Sina noch nie etwas von den fünf W-Fragen gehört? Lisa verkniff sich einen Kommentar, denn Sina konsultierte angestrengt den Zettel, den sie in der Hand hielt. „Lothar Senftleben, 51, alleinstehend, langjähriger Mitarbeiter des Bauamtes der Stadt Alfeld/Leine. Herzinfarkt. Jedenfalls sah es so aus. Für die Putzfrau. Also seine Putzfrau.“ Eindeutig hilflos sah sie von einem zum anderen.
Lisa bot ihr einen Stuhl an. Sina Bornschein hatte ihre Ausbildung vor knapp zwei Jahren beendet. In allen praktischen Belangen war sie ein Ass, doch in der Theorie, wenn es zum Beispiel darum ging, ein Einsatzprotokoll zu schreiben, war sie ewig unsicher. Sie litt unter der Angst, etwas falsch zu machen, was oftmals dazu führte, dass ihr völlig unnötige Fehler unterliefen. Die Kollegen hatten ihre Schwäche schnell erkannt und trieben hin und wieder ihre Späße mit ihr. Obwohl sie Lisa leidtat, zeigte sie es nicht. Auf der Straße war Sina tough, selbstsicher, unerschrocken, umsichtig, man konnte sich keinen besseren Partner wünschen. Lisa verstand nicht, warum Sina sich im Innendienst so seltsam verhielt, aber sie wusste, dass die junge Kollegin einen Weg finden musste, damit umzugehen, wenn sie Erfolg haben und in ihrem Beruf bestehen wollte. „Entschuldige, Sina. Das ging mir zu schnell. Herr Senftleben wurde tot von seiner Putzfrau aufgefunden?“
„In seinem Keller, ja.“
„Es sah aus wie ein Herzinfarkt?“
Sina zuckte mit den Schultern. „Eigentlich nicht.“
Lisa rollte mit den Augen. „Vielleicht ist es am besten, wenn du uns den Zettel gibst.“ Sie streckte die Hand aus und nahm das Papier. Es handelte sich um ein Foto. Als sie es betrachtete, wusste Lisa sofort, warum Ralf Schubert Sina zu ihnen geschickt hatte und warum der Hausarzt sich nicht mit der Diagnose Herzinfarkt zufriedengegeben hatte. Sie reichte die Aufnahme an Markus weiter.
Er tippte mit dem Finger auf das obere Drittel der Fotografie. „1 von 8“, sagte er.
Das Foto zeigte einen gedrungenen, stark übergewichtigen Mann, auf dessen Stirnglatze jemand 1 von 8 geschrieben hatte. „Wahrscheinlich mit einem Edding, oder?“, überlegte Lisa. Sie sah Sina an. „Hat Ralf die Todesursache erwähnt?“
„Stromschlag.“
„Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen“, flüsterte Lisa.
Markus wackelte zustimmend mit dem Kopf. „Die Buchen im ersten Gedicht waren ein Hinweis aufs Fagus-Werk als Fundort des Caches …“
„… und sie stellten gleichzeitig einen verbrämten Fingerzeig auf die Todesart dar.“
Markus gluckste. „Fingerzeig finde ich unter diesen Umständen eine etwas unglückliche Wortwahl.“
Im ersten Moment verstand Lisa nicht, was er sagen wollte. Dann begriff sie und fühlte, wie sich rote Flecken auf ihren Wangen bildeten.
„Schon gut“, sagte er.
„Wohin fahren wir zuerst? In die Pathologie oder zum Fundort der Leiche?“
„Pathologie“, sagte Lisa und ging vor ihm her aus dem Büro.
Ralf Schubert wartete im Krankenhaus auf sie. Während sie sich umzogen, informierte er die beiden. „Der Tote, Lothar Senftleben, wurde heute Morgen gefunden, ungefähr zu der Zeit, als wir im Fagus-Werk benutzte Taschentücher und Zigarettenkippen aus einer Wiese geklaubt haben. Und das Erstaunlichste daran ist, dass der Mann ,An den Steinköpfen‘ gewohnt hat, Luftlinie keine fünfhundert Meter von Fagus entfernt.“
„Warum hat die Zentrale uns nicht informiert?“
„Weil die Beteiligten anfangs von einem natürlichen Todesfall ausgingen. Senftleben war erst vor wenigen Wochen aus der Reha zurückgekehrt. Er hatte bei der letzten Grenzbegehung einen Herzinfarkt erlitten und war seither krankgeschrieben.“
Lisa erinnerte sich an das Foto. „Und die Ziffern auf seiner Stirn haben niemanden stutzig gemacht?“
„Zuerst wohl nicht. Die Putzfrau ist überhaupt erst in den Keller hinuntergegangen, weil die Sicherung herausgesprungen war und sie den Gefrierschrank überprüfen wollte. Senftleben hatte sich eine Art Hobbykeller eingerichtet, in
Weitere Kostenlose Bücher