Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
Vom Netzwerk:
Fälle.
    „Zu wem wollen Sie denn?“
    Er konnte schlecht den Namen desjenigen nennen, den er beabsichtigte, ein für alle Mal zu erledigen. Die dicke Schlampe würde sich bestimmt an ihn erinnern. Und das wäre gar nicht gut.
    „Keine Ahnung. Bin angerufen worden. Ich soll mich sofort melden", antwortete er und versuchte dabei eine möglichst vertrauenerweckende Miene aufzusetzen - so gut ihm das eben mit seinem Gesicht möglich war.
    Die Dicke musterte ihn argwöhnisch.
    „Dein Kuchen wird warm", brüllte jemand von hinten aus dem angrenzenden Raum. Die Frau drehte sich kurz in die Richtung um, aus der die Stimme gekommen war und wandte sich dann wieder ihm zu - dieses Mal allerdings mit der Gleichgültigkeit und Eile einer Hungrigen.
    „Station G 1. Da geradeaus und dann zum Aufzug. Sie müssen klingeln.“
    Dann drehte sie sich auf dem Absatz um - für ihre Fülle erstaunlich behände - und verschwand in dem Raum, aus dem die Stimme gekommen war. Sirkowsky machte sich auf den Weg.
    Auf G 1 angekommen, klingelte er. Nur wenige Sekunden darauf vernahm er das Summen des elektrischen Türöffners. Unmittelbar nach dem Betreten der Station, lief Sirkowsky Frauke Zanner in die Arme. Die war gerade damit beschäftigt, einer alten Putzfrau, die mit ihrem Lappen hektisch um sie herumwedelte, einen Platzverweis zu erteilen.
    Als die Ärztin aus dem Augenwinkel Sirkowskys hünenhafte Gestalt wahrnahm, ließ sie von der Putzfrau ab. Sie musterte ihn kritisch.
    Um Ärger für sich selbst zu vermeiden, hing in seinem Beruf einiges davon ab, wie schnell man in Erfahrung bringen konnte, mit wem man es zu tun hatte. So bemühte sich Sirkowsky sofort, sein Gegenüber einzuschätzen und sein Instinkt sagte ihm, dass hier Ärger zu erwarten war. Die nach hinten zusammengebundenen Haare und die breitrandige schwarze Brille verliehen ihr eine Strenge, die ihn ahnen ließ, dass er an ihr nicht so leicht vorbeikommen würde, wie an der fetten Rezeptions-Ziege.
    „Ist hier vielleicht ein Mann eingeliefert worden? Er ist angefahren worden.“
    „Sind Sie Angehöriger?“, fragte sie.
    „Nein ... Ein Freund", erwiderte er.
    Auch Frauke hatte sich im Laufe ihres Berufslebens einige Menschenkenntnis aneignen können. „Freund“ war mit Sicherheit eine Lüge. Das Zögern in seiner Stimme und die Kürze der Antwort reichten ihr.
    „Dann darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben. Tut mir leid", entschied sie knapp mit derselben Bestimmtheit in der Stimme, mit der sie auch die Putzfrau zurechtgewiesen hatte.
    „Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden?“
    Sie wandte sich zum Gehen. Mit einem schnellen Schritt zur Seite stellte sich Sirkowsky in den Weg und hielt sie am Arm fest.
    Verdutzt schaute sie ihn an.
    „Was fällt Ihnen ein?“, herrschte sie ihn an.
    Er fühlte das Gewicht seiner Schlinge in der Manteltasche und es beruhigte ihn.
    In diesem Moment klappte die Schwingtüre auf, die die zwei Korridore voneinander trennte. Ein Polizist trat in den Stationsflur. In seinem Gefolge befanden sich eine Frau und zwei Kinder.
    Sirkowsky begriff, dass er jetzt klein beigeben musste. Seine Erscheinung und sein Gebaren hatten sich der störrischen Kuh sicher schon ins Gehirn gebrannt. Und das war das Letzte, was er wollte. Es war Zeit den Rückzug anzutreten.
    Mit einem süffisanten Grinsen trat er beiseite und signalisierte mit einer ausladenden Armbewegung, dass er ihr gestattete zu passieren.
    Frauke Zanner funkelte ihn wütend an, ging dann mit betont festen Schritten an ihm vorbei und widmete sich den Neuankömmlingen.
    Sirkowsky entfernte sich rasch. Eine Begegnung mit dem Bullen wollte er vermeiden.
    Als er um die Ecke gebogen und außer Sichtweite war, schlug er, außer sich vor Wut, gegen die Wand.
    „Suchen jemanden?“
    Sirkowsky wirbelte herum. Vor ihm stand die Putzfrau. Er nickte.
    „Ja. Einen Freund.“
    „Haben gehört Unterhaltung. Wie aussehen Freund? Vielleicht ich habe gesehen!“, sie lächelte und entblößte ein vor Gold starrendes Gebiss.
    Sirkowskys Wut verrauchte sofort. Natürlich! Die Frau putzte in den Zimmern. Sie hatte seinen Mann vielleicht schon einmal zu Gesicht bekommen. Aber das Beste war, dass er in ihrem gebrochenen Akzent jemand erkannte, der Russisch verstand.
    „Sdráßtwujti, minjá sawút Pjotr“, begrüßte er sie. Der Vorname war natürlich ein falscher.
    Sofort hellte sich die Miene der Frau auf. In ihren Augen sah er jene, wie selbstverständlich hergestellte Verbundenheit, die nur

Weitere Kostenlose Bücher