SECHS
Melanie nicht noch eins draufsetzen.
Dass gleich eine Heerschar von Pflegern zwischen die beiden drängen, Melanie und Corinna aufgeregt zur Seite stoßen und in das Zimmer von Anna stürzen sollte, ahnten sie noch nicht.
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Etwa zu dieser Zeit lief Sirkowsky gelangweilt und betrunken in der Datscha auf und ab. Er saß hier nun schon Wochen fest, auf vierzig Quadratmetern spießig möblierter Einöde und hing am Tropf dieses Hurensohns. Vielleicht hätte er besser verbluten sollen? Dann wäre ihm zumindest diese Schmach erspart geblieben.
Tief in seinem Inneren wusste er aber, dass Rentsch recht hatte und er hier am sichersten war. Die Polizei wartete bestimmt nur drauf, dass jemand zu Luft, Land oder Wasser das Land verließ und irgendwie in deren Raster passte. Und einen dieser neumodischen Profiler hatte man möglicherweise auch schon darauf angesetzt, ein Bild desjenigen zu zeichnen, der für den Tod der beiden Weiber verantwortlich war. Dabei hatte er nur für Frieden und Erlösung gesorgt! Aber das verstand natürlich wieder mal niemand. Nicht die Bullen und auch nicht diese dämliche Boulevardpresse, durch deren Blätterwald die Sache mit der Ärztin noch immer rauf- und runterrauschte. Mit der flachen Hand wischte er durch die Luft. Sei es, wie es wollte!
Da er noch so viel vorhatte, konnte er nichts riskieren und musste sich Rentsch fügen. Vorerst. Auch wenn er sich damit wieder nur von einem „Vorerst“ zum anderen hangelte. Aber: Derer würde es nicht mehr viele geben, wenn er nicht bald sein Geld bekäme! Und überhaupt: Rentsch hatte ihn gesehen und das war schon Grund genug, ihn zu erledigen. Die Regeln! Sirkowsky nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. Den Letzten aus dieser.
Just in dem Moment als er in Begriff war die Nächste zu öffnen, hörte er einen Wagen vorfahren. Schnell löschte er das Licht. War das Rentsch? Der hatte sich doch erst für morgen angekündigt! War heute etwa schon morgen? Sirkowsky schüttelte den Kopf. Er versuchte schnell und auf einigermaßen direktem Wege, zum Fenster zu kommen. Als er die Gardine ein wenig zur Seite geschoben hatte, sah er durch die Lamellen der Klappläden, wie eine dicke Frau schnaufend aus einem Auto stieg. Als sie das geschafft hatte, ging sie zum Kofferraum, holte von dort gelbe Gummihandschuhe und einen Lappen heraus. Beides warf sie in einen Putzeimer.
Wer zum Teufel war das?
Mit der freien Hand wühlte sie jetzt in ihrer Handtasche und zog schließlich einen Schlüsselbund hervor. Dann setzte sie sich in Richtung der Datscha in Bewegung.
Trotzdem der Wodka einen dunstigen Schleier durch sein Gehirn zog, begriff Sirkowsky, dass die Dicke wohl gleich mitten im Raum stehen würde. Schnell stellte er sich neben die Tür an die Wand. Und zwar so, dass sie ihn beim Aufschwingen verbergen würde. Er grinste. Das Ding mit dem Überraschungsmoment beherrschte er auch dann noch, wenn alles andere nur noch leidlich funktionierte.
Ein Schlüssel wurde in das Schloss gesteckt und knackend umgedreht. Dann ging die Tür auf. Die Frau griff um die Ecke und legte den Lichtschalter um. Drei Schritte nur trat sie ein, dann ließ sie etwas zögern.
Du riechst mich , dachte er.
Noch bevor die Frau Zeit hatte, den Rückzug anzutreten, drückte Sirkowsky die Tür mit einem gewaltigen Schlag in das Schloss. Die Dicke sah ihn und reagierte. Sofort sprang sie in Richtung der Tür zurück, aber Sirkowsky machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Mit einem Schritt zur Seite schob er sich zwischen sie und den Ausgang. Der Weg war versperrt.
„Nicht so schnell“, raunte er grinsend.
„Wir beiden Hübschen haben doch bestimmt irgendwas, über das wir reden können? Ich brauche dringend Gesellschaft.“
Als Swantje Rentsch sich wieder gefasst hatte, herrschte sie ihn an:
„Wer sind Sie? Wenn Sie was haben wollen, nehmen Sie's und verschwinden Sie!“
Sirkowsky schraubte den Deckel der zweiten Flasche betont gelassen ab, setzte sie an den Mund und spülte den Wodka glucksend die Kehle hinunter.
„Aber Gnädigste ...“, sagte er, nachdem er die Flasche wieder abgesetzt hatte, „das höre ich in letzter Zeit dauernd. Und außerdem ... Ich bin doch kein Dieb.“ Er fuhr sich mit dem Handrücken einmal quer über den Mund.
„Sie stinken jedenfalls wie ein Penner!“
Sirkowsky grinste breit wie ein Honigkuchenpferd und wedelte tadelnd mit dem Zeigefinger.
„Jetzt wirst du aber beleidigend ... Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man
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