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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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Was macht mein Mann hier?“
    „Ich weiß es nicht. Ich bin gerade eben angekommen, und als ich in das Zimmer meiner Schwester ging, da saß er da.“ Corinnas Stimme überschlug sich jetzt.
    „Ich habe ihn natürlich angesprochen, aber er reagiert nicht. Er sitzt nur da und starrt meine Schwester an. Verstehen Sie das?“
    „Ich habe keine Idee.“ Melanie fröstelte. Das war alles sehr seltsam. Die beiden kannten sich nicht. Oder etwa doch?
    „Haben Sie einem Arzt oder eine der Schwestern informiert?
    Corinna schüttelte den Kopf.
    „Nein. Ich wusste ja, wer er ist und ich dachte, ich rufe erst einmal Sie an.“
    „Das ist nett. Danke! Ich schaue, wie ich meinen Mann da wieder raushole. Okay?“
    Corinna nickte.
    Vor Annas Zimmer angekommen, lugten sie zwischen den Lamellen durch.
    „Sehen Sie?“
    Melanie nickte. Sie sah. Da saß ihr Mann mit dem Rücken zu ihnen gewandt in seinem Rollstuhl und das tatsächlich völlig regungslos.
    „Geben Sie mir bitte einen Moment? Alleine?“, bat Melanie.
    „Natürlich.“
    Melanie trat ein. Sie kniete sich neben den Rollstuhl, aber Frank nahm davon keine Notiz. Sein leerer Blick war unbeirrbar auf Anna gerichtet. Melanie zog es das Herz zusammen. So hatte sie ihren Mann noch nie erlebt - bei allen Schatten. Zum ersten Mal überkam sie das Gefühl, dass dieser Mann wirklich nicht ihrer war.
    Sie legte ihre Hand vorsichtig auf seinen Arm.
    „Frank! Liebling? Was tust du da?“
    Unverständliches Gemurmel.
    „Kennst du sie? Das ist Anna“, sagte Melanie.
    Mit einem Mal begann Franks Oberkörper zu schwingen. Vor und zurück. Wie eine Laterne in leichtem Wind. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht! Waren das Nebenwirkungen der Medikamente? Sie drehte Frank nun so, dass sie ihm, dass er ihr direkt in die Augen schauen konnte.
    „Schatz, bitte hör auf damit ... du machst mir Angst.“
    Melanie blickte sich hilfesuchend in Richtung der Kontrollscheibe um und schüttelte ratlos den Kopf. Corinna beobachte die Szene.
    „Hallo Mel“, kam es ohne Vorwarnung.
    Melanie erschrak so heftig, dass sie mit einem erstickten Schrei hochfuhr.
    „Frank! Herrgott!“, stieß sie aus.
    Melanie brauchte einen Moment, um sich zu erholen.
    „Was ... was machst du hier?“, fragte sie dann.
    Er schaute sie an. Sein Gesicht war eine starre Maske und seine Augen wie trübes Wasser. Dann aber, im nächsten Moment, wich alle Härte aus ihm und seine Züge wurden weich.
    „Ich ...“, er schüttelte den Kopf, „... wo bin ich?“
    Melanie kniete sich wieder vor ihn und streichelte sein Gesicht. Ein Gesicht, in dem sie endlich ihren Frank wiedererkannte.
    „Du bist im Krankenhaus, bei Anna.“ Sie zeigte auf die Schlafende vor ihm. Er folgte ihrer Hand und betrachtete Anna stumm. Melanie sah ihm an, dass er angestrengt nachdachte.
    „Du weißt nicht, wer Anna ist? Oder?“
    Wieder schüttelte er den Kopf, die Augen peinlich berührt zu Boden gerichtet. Wie ein kleiner Junge, den man bei irgendwas erwischt hatte.
    „Weiß du denn, wie du hierhergekommen bist?“
    Frank schwieg.
    Melanie begriff, dass er völlig verwirrt war. Sie hätte ihn ebenso gut nach dem heutigen Mittagessen fragen können - er würde auch das nicht beantworten können. Und so wollte sie ihn nicht weiter quälen.
    „Ich bringe dich in dein Zimmer.“
    Er nickte.
    Melanie stand auf und drehte den Rollstuhl in Richtung Ausgang. Dort erwartete Corinna die beiden und hielt ihnen die Tür auf. Melanie nickte ihr dankbar zu.
    „Ich hoffe, alles ist okay?“, fragte Corinna leise.
    Melanie bezweifelte das.
    „Ich denke schon“, antwortete sie trotzdem.
    „Vielen Dank jedenfalls, dass Sie zuerst mir Bescheid gesagt haben. Und tut mir leid, dass mein Mann einfach so in das Zimmer spaziert ist ...“
    Corinna winkte ab.
    „Kein Problem. Ist ja nichts passiert oder so.“
    „Wie geht es ihrer Schwester eigentlich? Was sagen die Ärzte?“, wechselte Melanie das Thema.
    „Die wollen sie demnächst aufwecken. Aber das höre ich immer mal wieder. Ich glaube es erst, wenn es soweit ist.“
    Melanie nickte bestätigend.
    „Zerrt schon an den Nerven. Ich kenne das.“
    „Bei Ihrem Mann ging das ja wohl schneller ... glücklicherweise.“
    Wie es dazu gekommen war, dass die Ärzte ihre Finger bei seinem Erwachen keineswegs im Spiel gehabt hatten, wollte sie ihr nicht erzählen. Denn das, was hier gerade geschehen war, war schon seltsam genug und sie wettete, auch Corinna machte sich darüber so ihre Gedanken. Da wollte

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