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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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herauszufinden, was mit ihm los war.
    Fünf Minuten später hatte sie ihn über sämtliche Korridore geschoben und war mit ihm in seinem Zimmer angekommen. Wortlos half sie ihm aus dem Rollstuhl und in sein Bett. Er machte einen gleichzeitig erschöpften, als auch gestärkten Eindruck auf sie. Wie ein überladener Akku: Voll bis unter den Rand und gerade deshalb ohne Spannung. Aber das war nur ein Gefühl. Eines, das sie von irgendwoher empfing.
    „Ich träume“, sagte Frank tonlos gegen die Decke.
    Melanie setzte sich auf die Bettkante.
    „Nein. Ich bin hier“, widersprach sie und drückte zum Beweis seine Hand.
    Er blickte sie verständnislos an.
    „Wenn ich schlafe.“
    „Und was träumst du dann?“
    „Da ist ein Mann.“
    „Kennst du ihn?“
    Frank schüttelte den Kopf.
    „Er schickt Bilder und er ist wütend, glaube ich.“ Frank schluckte und richtete seinen Blick wieder gegen die Decke.
    „Ich sehe zwei Scheinwerfer. Sie kommen auf mich zu. Und eine Frau in einem Auto.“
    Melanie versuchte, sich darauf einen Reim zu machen. Er musste seinen eigenen Unfall wieder und wieder durchleben.
    „Das, was du da siehst, hast du selbst erlebt. Niemand schickt dir diese Bilder. Diese Frau ist diejenige, die dich angefahren hat. Wie hieß die noch? Frei oder Fay?“
    „Fay“, antwortete Frank leise.
    Dann drehte er sich zu ihr. In seinem Blick erkannte sie, dass er nicht überzeugt war.
    „Und was hat dieser Mann in meinen Träumen zu suchen?“
    Sie dachte nach. Vielleicht war er nur Sinnbild für irgendetwas oder irgendjemanden? Möglicherweise auch eine existierende Person, die Frank einmal getroffen haben könnte?
    „Ich weiß es nicht“, musste sie eingestehen.
    „Haben deine Träume vielleicht etwas mit ...“, Melanie stockte, überlegte kurz, wie sie es diplomatisch ausdrücken sollte, „deinem Verhalten zu tun?“
    „Was meinst du?“
    „Frank, du murmelst seltsame Dinge. Manchmal bist du ganz abwesend. Merkst du das denn nicht?“
    Er sah sie aus großen Augen an.
    „Ich erinnere mich nicht ... wann passiert das?“
    „Immer mal wieder. Gerade eben bei Frau Liebermann. Und du hast wirklich keine Ahnung, wie du dorthin gekommen bist?“
    „Nein.“
    Melanie sah ihm an, wie schwer ihn seine Aussetzer belasteten.
    „Und was sage ich, wenn ich so bin?“
    „Irgendwelche Zahlen.“
    Seine Augen wurden jetzt noch größer. Nachdem er eine Weile wieder still an die Decke gestarrt hatte, streckte er fordernd die Hand aus und sagte:
    „Gib mir ein Blatt und etwas zu schreiben.“
    Melanie wühlte in ihrer Handtasche, zog Zettel und Stift heraus. Frank schrieb. Nicht mal fünf Sekunden später überreichte er ihr das Ergebnis.
    „Auch die kommen von ihm. Er hört einfach nicht damit auf. Das sind sie doch, oder?“
    Melanie las. In einer fremdartigen Handschrift stand dort:
    1223383945498.
    „Und der Mann aus deinen Träumen schickt dir das hier?“ Sie wedelte mit dem Papier.
    Frank nickte.
    „Ich weiß nicht, ob sie das sind, Frank. Ich kann mir so einen Wirrwarr nicht merken“, sie legte die Stirn in Falten, „wie schaffst du das?“
    Frank zuckte mit den Schultern.
    Melanie starrte noch einmal ungläubig auf den Zettel. Waren die Zahlen selbst das Merkwürdige? War es der Umstand, dass Frank sich so ein zusammenhangloses Konstrukt merken konnte oder vielmehr das, was mit seinem Schriftbild nicht stimmte? Hätte ihr irgendjemand diesen Zettel in die Hand gedrückt, sie würde nicht mal auf die Idee gekommen sein, dass er von Frank stammte.
    Konnte ein Unfall einen solchen Einfluss auf das Gehirn haben? So sehr, dass es nicht mehr wusste, wie es die Hand vorher zum Schreiben geführt hatte? Vorstellbar war das wohl.
    „Ich glaube, die Zahlen bedeuten etwas. Ich weiß, dass ich sie schon gehört habe, als ich ... weg war.“
    „Du meinst, damit will er dir etwas sagen.“
    „Ja.“
    „Für mich ergeben sie keinen Sinn, Frank. Nicht den Geringsten.“
    „Und deshalb ist er wütend.“
    „Weil sie für mich keinen Sinn ergeben?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Weil ich sie nicht verstehe.“
    „Könnte das irgendetwas mit Computern zu tun haben? Ein Code oder sowas? Denk nach. Ich glaube nicht, dass diese Zahlen einfach so ... vom Himmel gefallen sind. Sie waren schon vor dem Unfall da. Sie kommen aus deiner Erinnerung.“ Er richtete sich angestrengt im Bett auf. Seine Fixateure quietschten leise.
    „Du willst sagen, ich bilde mir den Mann nur ein. Richtig?“
    „Nein ... naja ...

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