SECHS
Swantje parkte den Wagen so, dass die Scheinwerfer die Hütte anstrahlten. Dann stieg sie aus und rannte los.
Auf der Veranda angekommen, hämmerte sie gleich wild auf die Holztür ein und ließ ihr dünnes Holz erzittern.
„Ich bin's! Swantje Rentsch.“ Sie wollte schnell ins Warme. Niemand reagierte und auch aus dem Inneren drang kein Geräusch.
„Herrgott, Sirkowsky! Machen Sie auf!“ Nichts. Der Schlüssel? Sie kramte in ihrer Handtasche. Sie hatte ihn vergessen.
Swantje trat zwei Schritte nach links, warf einen Blick durch die Lamellen der geschlossenen Klappläden.
Im Inneren der Hütte brannte kein Licht. Nicht einmal den schwachen Schein einer Kerze konnte sie ausmachen. Wieder hämmerte sie gegen die Tür. Das Ergebnis blieb dasselbe. Sirkowsky war entweder nicht da oder aber tat so, als sei er es nicht.
Swantje beschloss, eine Weile im Auto zu warten. Sie rannte zurück zum Wagen, ließ sich in den Sitz fallen und schlug schnell die Tür zu. Der Regen prasselte aufs Dach und erfüllte den Innenraum mit dumpfen Getrommel.
Es war laut, aber nicht so laut, dass sie nicht das metallische Klicken hinter sich hörte. Das Geräusch kannte sie nur zu gut aus unzähligen Filmen. Es war der Hahn einer Pistole. Eine Stimme raunte:
„Besser du bewegst dich nicht.“ Eine Alkoholfahne wehte nach vorne.
Sie blickte in den Rückspiegel. Aus der Dunkelheit schälte sich ein Schatten. Es war Sirkowsky und er grinste. Swantjes Augen weiteten sich. Ihr Herz raste.
„Angst?“, flüsterte er.
Swantje nickte.
„Na endlich ...“
Ein erneutes Klicken. Der Hahn wurde entspannt. Sirkowskys Gesicht verschwand wieder in der Dunkelheit.
„Ich habe Deinen Schweiß schon gerochen, da wusstest du nicht einmal, dass du schwitzt“, kam es von der Rückbank.
Swantje atmete aus.
„Was soll das?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Eine Antwort darauf bekam sie nicht. Stattdessen fragte er:
„Was suchst du hier?“
„Kann ich mich jetzt umdrehen?“
„Von mir aus.“
Das tat sie. Mehr als seine Konturen konnte sie nicht erkennen.
„Es gibt Schwierigkeiten“, sagte Swantje.
In der Dunkelheit herrschte Stille.
„Mein Mann ... ich habe ihn bei einem Telefonat belauscht. Und ich weiß jetzt auch, worum es geht.“
Plötzlich flackerte eine Flamme auf. Swantje schrak zurück. Sirkowsky lehnte sich nach vorne und hielt ihr das Feuer direkt vors Gesicht.
„So? Ist das so?“
Swantje nickte.
„Und welche Schwierigkeiten sind das wohl?“, hauchte er.
„Er hat den Gewinner des letzten Jackpots ausfindig gemacht und ich glaube, er will das Geld alleine einstreichen.“ Die Flamme erlosch und Sirkowsky wurde wieder zum Schatten.
„Wieso glaubst du das?“
„Ich kenne ihn. Hat er sich bei Ihnen gemeldet? Ich meine in den letzten Tagen oder heute?“
Einen Moment war nichts weiter zu hören, als das Trommeln auf dem Blech. Dann aber sagte er:
„Nein.“
„Sehen Sie? Und er steht unter Zeitdruck. Wenn er Sie einplanen würde, hätte er sich heute melden müssen.“
Wieder flackerte die Flamme auf. Sie ließ Sirkowskys Gesicht kurz orange-rot aufleuchten und gleich darauf einen Punkt erglimmen. Dann füllte sich der Innenraum mit Zigarettenrauch.
„Dann werde ich ihm wohl einen Besuch abstatten müssen, was? Wo ist er?“
„Und dann? Wenn Sie ihn umbringen, haben wir nichts. Das wissen Sie.“
Die Zigarette glomm auf. Sie hörte ihn ausatmen.
„Fahr los.“
Swantje schüttelte den Kopf.
„Hören Sie. In einer Woche haben Sie das Geld! Warum jetzt alles überstürzen?“
Wieder hörte sie das Klicken.
„Fahr los! Ich sage es kein drittes Mal.“
Swantje verfluchte sich für die Dummheit, geglaubt zu haben, sie könne dieses Tier von irgendetwas abhalten.
„Wohin?“
„Na, in euer schnuckeliges Zuhause. Wir amüsieren uns da ein bisschen. Was meinst du?“
Noch einmal wagte Swantje nicht zu widersprechen. Sie drehte sich zurück hinter das Steuer, startete den Motor und wendete den Wagen.
-80-
Um ein Uhr war Rentschs Kneipentour beendet. Der greifbare Reichtum war gebührend gefeiert und noch weitere Großtaten standen unmittelbar bevor. Gleich nachdem er ausgeschlafen haben würde, wollte er im Krankenhaus auftauchen, einen netten Plausch mit Herrn Brenner führen und spätestens übernächste Woche schon, damit rechnete er fest, konnte er als mehrfacher Millionär das Land verlassen.
Gegen halb zwei wurde er vom Taxi zu Hause abgesetzt. Der Regen hatte nachgelassen, ebenso wie
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